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"Essen ist politisch!" - 33.000 fordern mehr Tempo bei Agrar- und Ernährungswende - SPD und Union müssen Willen der Bevölkerung umsetzen: Schluss mit Glyphosat, Tierfabriken und weltweitem Höfesterben

Geschrieben am 20-01-2018

Berlin (ots) - Mit einem ohrenbetäubenden Kochtopf-Konzert fordern
33.000 Menschen bei der "Wir haben es satt!"-Demonstration zum
Auftakt der Grünen Woche in Berlin die kommende Bundesregierung zu
einer neuen Agrarpolitik auf. "Die industrielle Land- und
Ernährungswirtschaft verursacht lokal und global Probleme für Bauern,
Klima, Tiere und Umwelt", sagt "Wir haben es satt!"-Sprecher Jochen
Fritz und ergänzt im Namen der über 100 Organisationen, die zur
Demonstration aufgerufen haben: "Der Umbau hin zu einer umwelt-,
tier- und klimafreundlichen Landwirtschaft, in der Bauern gut von
ihrer Arbeit leben können, darf von der Politik nicht weiter
aufgeschoben werden." Das Demonstrationsbündnis ruft SPD und Union
auf, keine weitere Zeit mehr verstreichen zu lassen und als erste
Schritte Glyphosat zu verbieten sowie den überfälligen Umbau der
Tierhaltung zu finanzieren, damit Schweine wieder Tageslicht sehen
und Kühe auf Weiden grasen können.

Vor dem Agrarministergipfel im Bundeswirtschaftsministerium
schlagen die Demonstranten auf ihre Kochtöpfe und fordern die Achtung
der Menschenrechte, faire Handelsbedingungen und mehr Unterstützung
für die ländliche Bevölkerung weltweit. Schon am Vormittag hatten die
160 Bauern, die die Demonstration mit ihren Traktoren anführen, eine
Protestnote an die 70 versammelten Minister aus aller Welt übergeben.
"Wir wollen raus aus der fatalen Exportorientierung und
Landkonzentration, die Bauern hier und weltweit das Genick bricht",
so Fritz über die Folgen der Agrarpolitik. Allein in den letzten 12
Jahren, mussten in Deutschland ein Drittel der Höfe ihre Tore
schließen.

Bündnis-Sprecher Fritz weiter: "Essen ist politisch, immer mehr
Menschen erkennen das. Aber die Politik nährt eine Agrarindustrie und
lässt sie auf Kosten von Umwelt, Klima und Tieren produzieren. Damit
wir alle nicht langfristig die Zeche dafür zahlen, muss die GroKo den
Spieß jetzt umdrehen. Diejenigen, die nachhaltig produzieren und
essen, müssen belohnt werden."

Mit Blick auf den morgigen SPD-Parteitag appelliert Martin Schulz
als Sprecher der Traktorfahrer an sei¬nen sozialdemokratischen
Namensvetter, endlich Mut und Klarheit für eine zukunftsweisende
Agrarpolitik zu beweisen. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft Schulz sagt: "Viele Bauern haben sich schon
längst auf den Weg gemacht und verändern die Landwirtschaft Tag für
Tag. Leider noch ohne die Unterstützung der Politik. Wir Bauern
brauchen jetzt eine zukunftsfähige Politik, die verlässliche
Entscheidungen trifft und Probleme löst. Der Stillstand der alten
GroKo hat zu einer Spaltung zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft
geführt. Da müssen wir raus."

Konkrete Projekte in der nächsten Legislaturperiode müssen - neben
Glyphosat-Ausstieg und Umbau der Tierställe - die
Kennzeichnungspflicht bei tierischen Lebensmitteln, das Verbot von
Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung und faire Marktregeln zum
Schutz von Bauernhöfen sein. Außerdem muss die Zahlung von
EU-Agrarsubventionen an außerlandwirtschaftliche Investoren, die
immer mehr Bauern den Boden unter den Füßen wegkaufen, sofort beendet
werden.

Die Großdemonstration richtet sich gegen die Agrarindustrie, nicht
aber gegen Landwirte. Die konventionellen und Öko-Bauern
demonstrieren auch im achten Jahr im Schulterschluss mit
Lebensmittelhandwerkern und der Zivilgesellschaft gegen die fatalen
Auswirkungen der intensiven industriellen Landwirtschaft. Gemeinsam
zeigt das breite "Wir haben es satt!"-Bündnis Wege für eine
bäuerliche Zukunftslandwirtschaft und ein gutes Ernährungssystem auf.

Weitere Informationen: www.wir-haben-es-satt.de

Fotos zur kostenfreien Verwendung unter:
www.wir-haben-es-satt.de/presse

Statements von Rednerinnen und Rednern der Demonstration:

Elisabeth Freesen, junge Bäuerin aus Niedersachsen, die mit dem
Traktor angereist ist:

"Ich bin eine junge Bäuerin und ich liebe meinen Beruf. Ich
übernehme gerne Verantwortung für den Hof, die Region und eine
zukunftsfähige, bäuerliche Landwirtschaft. Zusammen mit den vielen
anderen jungen Menschen, die die Demonstration anführen, setze ich
mich für eine Zukunft auf dem Land ein. Wir wer¬den unsere Äcker und
Teller nicht der Agrarindustrie überlassen. Die GroKo muss junge
Men¬schen auf dem Land, Existenzgründung in der Landwirtschaft und
vielfältige ländliche Räume fördern.

Christoph Bautz, Geschäftsführer der Bürgerbewegung Campact: "Der
Einstieg in die Agrarwende muss mit dem Ausstieg aus der
Pestizid-Nutzung beginnen. Glyphosat lässt unsere Insekten sterben
und macht die Äcker vor der Aussaat so leblos wie einen frisch
gewienerten Küchenboden. Eine neue Bundesregierung muss klar Farbe
bekennen, wann sie das Bienengift ver¬bieten will. Wir Bürger und
Bürgerinnen hätten da einen Vorschlag: 2018 ist Schluss!"

Ulrich Veith, Bürgermeister der pestizidfreien Gemeinde Mals aus
Südtirol:

"Das Beispiel der Gemeinde Mals zeigt: Es zahlt sich aus, für eine
bessere Welt einzustehen. Heute ist Mals frei von chemischen
Pestiziden, in einigen Jahren wird es ganz Südtirol sein. Vielleicht
zieht Europa mit. Großes entsteht immer im Kleinen. Jeder einzelne
kann, ja muss seinen Beitrag leisten. Weitsicht, Mut und Ausdauer,
mehr braucht es nicht."

Fátima Aparecida Garcia de Moura, Federação de Órgãos para
Assistência Social e Educacional (FASE), Brasilien:

"Soja ist nicht nachhaltig, es ist kein richtiges Lebensmittel,
sondern vorrangig Futtermittel und wird vor allem für den Export
produziert. Sojaanbau führt zu Vertreibungen von Familien und
Landverlust. In meinem Staat Mato Grosso ist der größte Gewinner des
Sojaanbaus der brasilianische Landwirtschafts¬minister Blairo Maggi
mit seiner Firma Amaggi."

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND):

"Gülle und Pestizide belasten Böden und Gewässer, bäuerliche
Betriebe ringen ums Überleben und das Insektensterben zeigt, welche
dramatischen Auswirkungen die industrielle Agrarproduktion auf die
Artenvielfalt hat. Die nächste Bundesregierung muss Lösungen für die
massiven Probleme der Land¬wirtschaft präsentieren. Wir erwarten
einen verbindlichen Umbauplan für die Tierhaltung, eine
ambitio¬nierte Minderungsstrategie für Pestizide und ein Verbot von
Glyphosat und der für Bienen gefährlichen Neonikotinoide."

Ole Plogstedt, TV-Koch, bekannt aus "Die Kochprofis - Einsatz am
Herd": "Es geht um viel mehr, als nur um unser Essen. Eine
vernünftige weltweite Agrarwende würde nicht nur Tierleid minimieren,
sondern ebenfalls dem Welthunger und der Umweltzerstörung
entgegenwirken. Nicht zuletzt würde sie auch Menschenrechte und
Gesundheit schützen und sogar Fluchtursachen bekämpfen."

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes:

"Die Gesellschaft erwartet ein Mehr an Tierschutz. Tiere haben
keinen Preis, Tiere haben einen Wert und Wirtschaftlichkeit darf kein
Grund sein, ihnen Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Des¬halb
braucht es eine neue Agrarpolitik inklusive einer Nutztierstrategie,
die den breiten Konsens der Ge¬sellschaft hin zu mehr Tier- und
Umweltschutz endlich in die Spur bringt."

Stephanie Strotdrees, Bäuerin und Vizepräsidentin von Bioland
e.V.:

"In einem gesunden Kreislaufsystem gehören Tierhaltung und
Landwirtschaft zusammen. Die Tiere müssen von der Fläche ernährt
werden können und der Acker muss Gülle und Mist aufnehmen können. Nur
so können wir eine Lösung für die Nitratproblematik schaffen.
Fördermittel müssen an eine niedri¬gere Tierzahl pro Hektar gekoppelt
werden."

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft:

"Wir brauchen eine grundlegende Reform der europäischen
Agrarpolitik. Diejenigen, die umwelt- und klimaschonenden Ackerbau
betreiben und Tiere artgerecht halten, müssen durch Direktzahlungen
un¬terstützt werden, nicht wer am meisten Flächen besitzt. Die
Bäuerinnen und Bauern sind bereit, aber die Politik muss den Rahmen
schaffen. Gerade die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen
Betriebe braucht das Land."

Kirsten Wosnitza, Milchbäuerin aus Schleswig-Holstein vom
Bundesverband Deutscher Milchviehhalter:

"Eine Agrarpolitik mit dem System 'immer billiger - immer mehr'
ist gegen die Interessen von Bauern und Bürgern. Milchbauern wollen
keine Überschussproduktion, sondern sie brauchen faire Marktregeln
und faire Preise. Dann können öffentliche Gelder für öffentliche
Leistungen bezahlt werden und nach¬haltige Milcherzeugung wird eine
echte Perspektive haben."

Rudolf Bühler, Bauer aus Hohenlohe und Vorsitzender der
Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwä¬bisch Hall:

"Wir Bauern fordern die Agrar- und Ernährungsindustrie auf: Hände
weg von Saatgut und Tierzucht. Schluss mit der Enteignung und
Vertreibung von Bauern und Hirten durch die Agrarindustrie! Wir
treten ein für den Schutz von natürlichen Ressourcen, der indigenen
Kulturen, des indigenen Wissens und des Bodens, den Bauern seit
Generationen bewirtschaften und bewahren. Für den globalen Schutz der
indi¬genen Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen dieser Welt! Die
Vereinten Nationen müssen das end¬lich durch Bauernrechte
sicherstellen."



Pressekontakt:
Christian Rollmann, "Wir haben es satt!"-Presseansprechpartner,
Mobil: 0151-51245795, E-Mail: rollmann@meine-landwirtschaft.de

Original-Content von: BUND, übermittelt durch news aktuell


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