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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Reformationsjubiläum

Geschrieben am 05-03-2017

Bielefeld (ots) - Luthersocken, Lutherkekse und der große
Reformator als Playmobilfigur: Die Vermarktung des Jubiläums »500
Jahre Reformation« läuft auf Hochtouren. Der Tourismus boomt. Allein
Wittenberg erwartet eine Million Besucher. Das Fernsehen bietet gut
gemachte Historienspektakel, Chöre und Musicals füllen die Hallen der
Republik. Aber ist das alles? Ja, es hat die Begegnung der
EKD-Führung mit dem Papst gegeben. Und daheim, im Land der
Reformation, leisten die Kirchengemeinden viel. Vorträge,
Diskussionen, Kirchenkonzerte, Bibelarbeiten. Die meisten Impulse
kommen von unten. Aber selbst von offizieller Seite gibt es Sorge,
dass der Kern protestantischer Haltung im Getöse untergeht. Thies
Gundlach, Vize im EKD-Kirchenamt, mahnt, das Jubiläum sei keineswegs
eine reine Kirchenparty, sondern ein gesamtgesellschaftlich
bedeutsames Ereignis. Wichtige theologische Wissenschaftler hätten
sich aus der konstruktiven Diskussion abgemeldet, »weil sie bei der
Kritik an Details stehengeblieben sind«. Jörg Lauster, Professor für
Systematische Theologie in München, spielt den Ball zurück. Nicht
einmal in Kuba, China oder Nordkorea käme man auf die Idee, die
eigene Gründungslegende zehn Jahre zu feiern. In seiner Streitschrift
»Der ewige Protest/Reformation als Prinzip« fordert er von der Kirche
die Fortführung des Reformatorischen. Die Kirche gefalle sich im
Gestus des ständigen politischen Bekenntnisses, beklagt Wolfgang
Schäuble. Die Religion gerate aus dem Blick und die Politisierung der
Botschaft untergrabe die spirituelle Basis, aus der doch ihre Strahl-
und Überzeugungskraft erwachse. Auch seine termingerecht vorgelegte
Streitschrift für »Protestantismus und Politik« hat noch keine
Debatte ausgelöst. Dabei haben mindestens 95 Merksätze darin das Zeug
zum Thesenanschlag: Martin Luther King, Desmond Tutu, Dietrich
Bonhoeffer sind laut Schäuble wirklich einflussreich, weil sie auf
der Basis des religiösen Bekenntnisses Politik gemacht haben.
Tatsächlich: Dem Jubiläumsjahr fehlen noch die großen Debatten. Es
geht weder darum, Luther heilig zu sprechen, noch darum, sich an der
furchtbar unbeweglichen katholischen Seite zu reiben. Aber: Warum
diskutiert niemand die durchaus zulässige Frage nach einer klareren
Abgrenzung vom Islam. Oder: Müssen Religionen einander wirklich
verstehen? Reicht es nicht, wenn sie sich gegenseitig respektieren?
Und: Ist der Wohlfühlprotestantismus der EKD noch Protestantentum?
Grenzt der meist rot-grüne Kirchenkurs Anderswählende politisch aus?
Vor allem: Wie weit geht die ewige Toleranz? Wann ist der Wurf mit
dem Tintenfass nach dem Teufel fällig? Bis zum Ende des Jahres hat
der Protestantismus noch die große Bühne. Das Lutherjahr muss endlich
in die Socken kommen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


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