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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD-Kanzlerkandidatur

Geschrieben am 24-01-2017

Bielefeld (ots) - Ist es den Sozialdemokraten eigentlich
unmöglich, auf angemessene Art und Weise einen Kanzlerkandidaten
auszurufen? Wer bisher geglaubt hatte, der grandios gescheiterte
Abzählreim »Gabriel raus, Steinmeier raus, also muss es der
Steinbrück machen« von 2013 sei an Tölpelei nicht zu toppen, wurde
gestern eines Anderen belehrt. Denn dieses Mal war es der Parteichef
selbst, der alle Abmachungen über Bord warf und seine Genossen
öffentlich bloßstellte. Sigmar Gabriel hatte jede und jeden
verdonnert, bis zum 29. Januar eisern zu schweigen. Doch dann fällt
er selbst aus der Rolle und liefert - per Interview - einen
grandiosen Akt der Selbstinszenierung. Das Ergebnis dieser
politischen Geisterfahrt: Der 57-Jährige verzichtet erneut auf die
Kanzlerkandidatur, und anders als vor vier Jahren gibt er das Amt des
Parteivorsitzenden gleich mit ab. Ach ja: Im Handstreich erklärt
Gabriel flugs noch seinen Wechsel vom Wirtschafts- ins
Außenministerium. Paukenschlag, Abgang - und viel zu viele Fragen
offen. Warum jetzt? Warum so? Die Antwort kann nur lauten: Gabriel
wollte sichergehen, das niemand den Eindruck haben konnte, geschweige
denn ihn verbreiten würde, er sei am Ende doch auf irgendeine Art und
Weise zum Verzicht auf die Kandidatur gedrängt worden. Für ihn ein
letzter Akt der politischen Selbstbestimmung, dessen Kosten er kühl
kalkulierend seiner SPD vor die Füße wirft. Allein deshalb ist es
unangemessen, das Ganze als kluge Selbsterkenntnis zu loben.
Natürlich ist das die Interpretation, die Gabriel anbietet, rückt sie
ihn doch ins beste Licht. Man kann aber ebenso gut auch von seiner
Flucht vor der Verantwortung sprechen. In jedem Fall bleibt Sigmar
Gabriel nun der Unvollendete. Eine Bezeichnung, die im eklatanten
Widerspruch zu dem steht, was er für seine Partei als Vorsitzender
erreicht hat. Insbesondere aus dem lausigen 23-Prozent-Ergebnis der
Wahl 2013 hat der SPD-Chef enorm viel gemacht. Rente mit 63,
Mindestlohn und mit höchster Wahrscheinlichkeit ein neuer
Bundespräsident mit sozialdemokratischem Parteibuch. Diese Bilanz ist
mehr als respektabel. Sein Abgang ist es nicht. Mag sein, dass Martin
Schulz der bessere Herausforderer von Angela Merkel ist. Mag ebenso
sein, dass er die Kanzlerin besser angreifen kann, weil er anders als
Gabriel nicht für die Große Koalition und das gemeinsame Regieren
steht. Mag sogar sein, dass es dem Mann aus Würselen auch ohne große
innenpolitische Erfahrung gelingt, die SPD wieder näher an ein
30-Prozent-Ergebnis heranzubringen und damit die kleine Chance auf
eine rot-rot-grüne Regierung am Leben zu halten. Mag alles sein. Doch
das hätte Gabriel auch mit mehr Stil haben können. Er hat es offenbar
nicht gewollt. Sigmar Gabriel hat sich für einen unwürdigen Abgang
entschieden.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


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