(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Völlig neue Töne / Selbst den Kapitalisten ist der Kapitalismus nicht mehr geheuer. Dafür gibt es triftige Gründe.

Geschrieben am 22-01-2017

Regensburg (ots) - Von den Schweizer Bergen drangen in den
vergangenen Tagen völlig neue Töne ins Tal hinunter: Wie jedes Jahr
tagte der Gipfel der Geldelite im Schweizer Nobelort Davos. Doch
diesmal drehten die Superreichen nicht wie sonst nur Pirouetten um
sich selbst. Es klingt unerhört: Den Wirtschaftsbossen ist die
Globalisierung nicht mehr geheuer. Die Kapitalisten stellen den
Kapitalismus infrage - zumindest die schlimmsten Auswüchse. Pünktlich
zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums sorgte eine Umfrage unter
Topmanagern für Furore. Mit Blick auf die Kluft zwischen Arm und
Reich äußerte fast jeder Zweite Zweifel am positiven Einfluss der
Globalisierung. Entscheidend wird nun sein, ob das Ganze in Debatten
versandet, oder ob daraus ein Weckruf wird. Eine Vermögensstudie der
Entwicklungsorganisation Oxfam gießt Öl ins Feuer. Demnach besitzen
die acht reichsten Menschen der Welt - allesamt Männer - zusammen
mehr Geld, als die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit. Selbst wenn
nur 90 Prozent der Studie zutreffen, hätte die Welt eine soziale
Unwucht wie zu schlimmsten Zeiten des Feudalismus. Da horchen nicht
nur die Unterprivilegierten auf. Auch der Geldadel sorgt sich, wie
lange das gutgehen kann. Wir leben in unsicheren Zeiten. Das liegt
zum Teil an den vielen neuen politischen Unwägbarkeiten. Noch weiß
niemand, ob der Dealmaker Donald Trump tatsächlich Handelskriege vom
Zaun bricht und inwieweit sich die USA abschotten werden.
Gleichzeitig hängt nach dem Brexit über Europa ein permanentes
Damoklesschwert des politischen Zerfalls. Den vielen politischen
Risiken zum Trotz: Die größte Bedrohung für den Wohlstand geht von
ganz realen Konfliktherden vor unserer Haustüre aus. Kriegsgefahren,
Terror, Klimawandel, Umweltzerstörung, Armut, Hunger, Flucht und
Vertreibung. Diese komplexen Probleme lassen sich von einzelnen
staatlichen Akteuren genauso wenig lösen wie von einem Superreichen,
der plötzlich Milliarden spendet. Diese Herkulesaufgabe fordert die
gesamte Weltgemeinschaft. Anstatt einer konzertierten multinationalen
Aktion erleben wir allerdings etwas ganz anderes. Der neue
US-Präsident will Mauern bauen, um die armen Schlucker auszusperren.
Gleichzeitig macht sich in Europa der Nationalismus breit. Denn
viele, die sich als Globalisierungsverlierer sehen, bescheren den
rechtspopulistischen Parteien regen Zulauf. Die soziale Ungleichheit
schürt die Unzufriedenheit. Bis in die Mittelschicht schleicht sich
die Sorge ein, dass der eigene Wohlstand in Gefahr gerät. Es sind
Sparer, die keine Zinsen mehr bekommen, Arbeitnehmer, denen bei der
Aussicht auf Mini-Renten Angst und Bange wird und diejenigen, an
denen der Konjunkturaufschwung völlig vorbeigegangen ist. Noch haben
die Regierungen eine Chance, dem etwas entgegenzusetzen. Die Menschen
brauchen Perspektiven. Das gilt für die sogenannte verlorene
Generation in Südeuropa genauso wie für Langzeitarbeitslose in
Mecklenburg-Vorpommern oder moderne Lohnsklaven, die man überall in
der EU findet. Die Staatenlenker müssen den Leuten das Gefühl geben,
dass es wenigstens halbwegs gerecht zugeht. Sie dürfen nicht länger
zusehen, dass sich Multis und Milliardäre als größte Steuervermeider
hervortun und sich aus der Verantwortung stehlen. Das oberste eine
Prozent kommt seinen Verpflichtungen nicht nach, sagte
US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Abschiedsauftritt in Davos. Er
forderte dazu auf, ein gerechteres Wirtschaftssystem zu schaffen.
Auch das sind überraschend neue politische Töne aus einem der
Mutterländer des Erzkapitalismus. Hoffentlich verhallen sie nach der
Vereidigung Trumps nicht im Wind.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

607006

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: zu Berliner Flughafen Kommentar von Roswitha Bruder-Pasewald Karlsruhe (ots) - Dass Projekte grundsätzlich um ein Vielfaches teurer werden als ursprünglich geplant, daran hat sich der deutsche Durchschnittsbürger ja gewöhnt. Doch im Reigen von Elbphilharmonie und Stuttgart 21 ist das Berliner Vorzeigeobjekt schon ein besonders krasses Beispiel für Chaos und Planlosigkeit. Selbst wenn der BER eines Tages in Betrieb gehen sollte, der als Visitenkarte der Bundeshauptstadt gedacht war - von seinem Image als peinlichster Baustelle der Republik wird er sich nie erholen. Pressekontakt: Badische mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Kongress der europäischen Nationalisten Gefahr für die Freiheit Florian Pfitzner Bielefeld (ots) - Wem Europa am Herzen liegt, der kann die Alternative für Deutschland getrost knicken. Die AfD hat sich wie ihre schrillen Freunde um Geert Wilders und Marine Le Pen längst vom europäischen Geist verabschiedet. Sie streitet das ab, versäumt jedoch zu erklären, wie es bei einer Verschanzung hinter nationalen Grenzen friedlich bleiben soll. Für eine langfristige, erfolgreiche Zusammenarbeit von Nationalisten fehlt auf dem Kontinent jeder historische Beleg. Man hat es kaum für möglich gehalten, doch der Kongress in mehr...

  • Westfalen-Blatt: zu Donald Trump Bielefeld (ots) - Der »Honeymoon« für den neuen US-Präsidenten ist vorüber, bevor er einen hatte. Das machten die Amerikaner am Wochenende deutlich, als sie in Rekordzahl auf die Straßen gingen, um gegen Donald Trump zu demonstrieren. Der dünnhäutige Trump nahm dies nicht zum Anlass, auf die Sorgen der Mehrheit seiner Landsleute einzugehen, die ihn nicht gewählt haben, sondern flüchtete sich in eine Märchenwelt. Darin sah er sich als geliebten Führer, der von historischen Massen gefeiert wird. Anschließend ließ er seinen neuen Sprecher mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Trumps Kinderseele = Von Birgit Marschall Düsseldorf (ots) - Donald Trump hat alles erreicht, was er erreichen konnte: Er ist Milliardär, Stammvater eines fernsehtauglichen Familienclans und nun auch noch US-Präsident. Aber tief innen drin, so scheint es, hat der mächtigste Mann der Welt eine verletzliche Kinderseele. So droht er allen Ernstes den US-Medien mit Konsequenzen, weil diese sich erlaubt haben, zu berichten, was wirklich war: dass nämlich am Freitag deutlich weniger Menschen zu seiner Vereidigung vor das Weiße Haus gekommen sind als bei Barack Obama vor acht Jahren mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Groko auch in NRW? = Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - Knapp vier Monate vor der Landtagswahl in NRW nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass es - übrigens zum ersten Mal in der Landesgeschichte - zu einem Zweierbündnis von SPD und CDU kommen könnte. Darauf deuten bislang alle Umfragen hin. Eine große Koalition ("Groko") wäre die vielversprechendste von allen derzeit denkbaren Konstellationen. Einem Trio aus SPD, Grünen und Linkspartei läge von Anfang an der Keim der Zwietracht zugrunde. Kaum vorstellbar, dass sich Kraft dazu hergibt. Die FDP steht erklärtermaßen nicht für mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht