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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu EU-Verteidigungspolitik/Trump: Warten auf Trump von Daniela Weingärtner

Geschrieben am 13-11-2016

Regensburg (ots) - Wenn Donald Trump seinen Worten Taten folgen
lässt, wird er sich noch mehr als die bisherige US-Administration aus
den Krisenherden Europas und seiner Nachbarn zurückziehen. Das sei
nun aber endlich der Moment, wo sich Europa in Verteidigungsfragen
zusammenraufen müsse, erklären uns unisono die deutsche
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ihre europäische
Kollegin Federica Mogherini und Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker. Bei einer Rede vergangene Woche in Berlin nahm er sogar das
Tabuwort "europäische Armee" in den Mund. Die will nun wirklich
keiner. Für viele EU-Bürger ist die Vorstellung, dass ihre Soldaten
unter EU-Flagge und Brüsseler Oberkommando in einen Krieg geschickt
werden könnten, ein Alptraum. In Frankreich wurde 2005 von linken
Parteien mit dem Schreckgespenst einer EU-Armee gegen die geplante
europäische Verfassung mobil gemacht. Die Begeisterung für das
Projekt dürfte seither nicht gestiegen sein. Und in Polen und Ungarn,
wo man sich schon jetzt unter Brüsseler Diktat fremdbestimmt wähnt,
wäre das Projekt vielleicht sogar ein Austrittsgrund. Einerseits.
Andererseits müssen sich die Bürger der baltischen Staaten, sowie
Polens, der Slowakei, Tschechiens und Ungarns darauf einstellen, dass
die USA nicht länger Schutzmacht für sie spielen wollen. Noch ist
völlig unklar, welchen außenpolitischen Kurs Trump verfolgen wird.
Zahlreiche Äußerungen aus dem Wahlkampf lassen aber vermuten, dass er
die historisch begründete Panik der Osteuropäer und der Finnen vor
russischen Expansionsansprüchen nicht nachvollziehen kann. Politiker,
die die Annektion der Krim nicht so dramatisch finden, weil die
Menschen dort ja eh lieber zu Russland gehören möchten, bereiten
vielen Osteuropäern Alpträume. Zwar wird im polnischen
Glückwunschschreiben an den Wahlgewinner an die im Juli beschlossene
Aufrüstung der Ostflanke der Nato erinnert. Doch selbst wenn Trump zu
Ohren gekommen sein sollte, dass Polen brav die von Nato-Mitgliedern
geforderten zwei Prozent BIP in seinen Verteidigungshaushalt steckt,
ist damit beherztes künftiges US-Engagement in Osteuropa noch lange
nicht garantiert. Geht es nach Trump, sollen alle mehr zahlen.
Deutschlands Rüstungsetat stagniert seit Jahren bei 1,2 Prozent, was
zwar viele Bundesbürger für völlig ausreichend halten, der künftige
US-Präsident aber nicht. So gesehen ist jetzt vielleicht wirklich ein
günstiger Moment gekommen, um das Thema europäische
Verteidigungsfähigkeit aus der Versenkung zu holen. Eine EU-Armee ist
Zukunftsmusik, auch auf die Nato will niemand verzichten. Aber die
Europäer sollten überlegen, ob sie ihre zahlreichen
friedenssichernden Missionen, ihr Engagement gegen Piraten am Horn
von Afrika und gegen Schlepper vor der libyschen Küste nicht besser
koordinieren und vorhandene militärische Ausrüstung gemeinsam
wirkungsvoller einsetzen könnten. Ein EU-Hauptquartier, wie es von
den Briten immer vehement bekämpft worden war, rückt mit deren
Austritt in den Bereich des Realisierbaren. Doch eine
Rüstungsagentur, die sicherstellen soll, dass nationale
Neuanschaffungen mit Transport- und Waffensystemen anderer EU-Staaten
kombinierbar sind, gibt es seit 2004. An den Alleingängen hat es
wenig geändert. Multinationale Eingreiftruppen existieren seit 2005.
Zum Einsatz kamen sie bislang noch nie. Die kürzlich bekannt
gewordene Entscheidung der polnischen Regierung, statt Hubschraubern
der europäischen Firma Airbus doch lieber Black Hawks aus
amerikanischer Produktion zu kaufen, lässt wenig Hoffnung aufkommen,
dass nun ein verteidigungspolitischer Ruck durch Europa geht. Da
warten wir doch lieber ab, ob Herr Trump das alles vielleicht gar
nicht so gemeint hat.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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