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Kauder: Politische Kultur in Deutschland darf nicht verwildern

Geschrieben am 12-11-2016

Berlin (ots) - Der Fraktionsvorsitzende der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder hat sich in einem Interview
mit der Passauer Neuen Presse vom heutigen Samstag insbesondere zu
den Folgen der US-Wahlen und der Verwilderung der politischen Kultur
in Deutschland geäußert. Das Interview hat folgenden Wortlaut:

Frage: Herr Kauder, ist der künftige US-Präsident Donald Trump der
wahr gewordene amerikanische Albtraum?

Kauder: Donald Trump ist der gewählte Präsident der Vereinigten
Staaten. Viele seiner politischen Äußerungen im Wahlkampf waren
natürlich verstörend. Sie geben auch Anlass zur Sorge. Jetzt gilt es
aber erst einmal, seine konkreten Pläne für seine Amtszeit abzuwarten
und vor allem mit ihm zu sprechen. Kein deutscher Politiker scheint
ihn persönlich zu kennen. Diese vielen Spekulationen der vergangenen
Tage, was Trump nun im Amt machen könnte, bringen nicht viel. Es muss
mit ihm geredet werden, damit wir ihm unsere Sichtweise nahebringen
können. Wir wollen und müssen mit Amerika auch unter einem
Präsidenten Trump eng zusammenzuarbeiten.

Frage: Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Trump im
Wahlkampf einen Hassprediger genannt. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar
Gabriel sieht in ihm den Vorreiter einer neuen autoritären und
chauvinistischen Internationalen. Geht man so mit dem künftigen
Präsidenten eines der wichtigsten Verbündeten um?

Kauder: Das halte ich nicht für den richtigen Ton. Mitglieder der
Bundesregierung sollten sich klüger gerade gegenüber Politikern des
wichtigsten Bündnispartners Deutschlands außerhalb Europas äußern,
zumal gegenüber dem gewählten Präsidenten. Man kann sicher
kritisieren. Man muss aber immer wissen, dass man mit dem, den man
angreift, eines Tages vernünftig zusammenarbeiten könnte oder nun
sogar muss. Solche Töne habe ich gegenüber russischen oder
chinesischen Politikern noch nicht gehört. Die Bundeskanzlerin hat
ganz andere Worte gefunden und trotzdem unsere Haltung deutlich
gemacht. Deswegen wird es auch eine Gesprächsbasis zwischen ihr und
Trump geben.

Frage: Wie konnte es zu Trumps überraschendem Wahlsieg kommen? Wo
liegen die Ursachen für den Erfolg?

Kauder: Große Bevölkerungsteile in den USA fühlen sich offenbar
abgehängt und zurückgelassen. Sie sehen keine Perspektive. Die
wirtschaftliche Situation ist dort für viele Menschen in den USA in
der Tat gar nicht gut. Das gilt vor allem für die ländlichen Räume
und Teile der alten Industrieregionen. Bei uns in Deutschland ist die
Lage anders. Zwei Drittel der Menschen sind mit ihrer persönlichen
wirtschaftlichen Situation zufrieden. Anders als in den USA droht in
Deutschland momentan keine Spaltung der Gesellschaft. Aber natürlich
gibt es auch bei uns Zukunftssorgen und Frust.

Frage: Ihr Parteifreund Finanzminister Wolfgang Schäuble warnt vor
zunehmendem demagogischen Populismus auch hier in Deutschland...

Kauder: Wenn im Land über Politik geredet wird, geht es immer
häufiger gar nicht mehr um die harten Fakten und die tatsächliche
Lage. Die gefühlte Wirklichkeit ist wichtiger. Das wird dann von
Populisten verstärkt, die auch bei uns unterwegs sind. Wir müssen uns
bemühen, dass die reale Lage des Landes wieder mehr wahrgenommen wird
und diejenigen entlarven, die die Wahrheit verdrehen und mit Lügen
arbeiten. Vor allem im Internet wird immer mehr gehetzt und an der
Wirklichkeit vorbei argumentiert. Im Internet und in den sozialen
Netzwerken erleben wir, dass oft nur noch emotional und mitunter
demagogisch über Politik diskutiert wird, wenn das Wort diskutieren
manchmal noch zutreffend ist. Die politische Kultur verwildert.

Frage: Was kann man dagegen tun?

Kauder: Hier sind viele gefordert: Parteien, Gewerkschaften,
Wirtschaftsverbände, die Medien, die Schulen. Wir müssen alle Kanäle
nutzen, um aufzuklären und dagegenzuhalten. Politik muss besser
erklärt werden und zwar in verständlicher Sprache. Kritik an Politik
und Politikern hat es schon immer gegeben. Das ist überhaupt nichts
Neues. Doch der Hass einiger kleiner Gruppen nimmt zu. In einer Welt
voller Veränderungen wachsen Sorgen und Ängste. Manche Menschen
erwarten, dass die Politik dafür sorgt, dass alles bleibt wie bisher.
Das wird aber in einer sich rasant wandelnden Welt nicht möglich
sein. Das muss man den Menschen ehrlich sagen. Wir können uns der
Wirklichkeit nicht verweigern. Wir bemühen uns aber, diese Welt so zu
gestalten, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen davon profitieren
und möglichst wenige zurückbleiben. Das ist gerade in Deutschland in
den vergangenen Jahren auch gelungen.

Frage: Trumps Credo lautet "America first". Er setzt auf
Isolationismus und will das weltweite amerikanische Engagement
verringern und das Handelsabkommen mit Europa zu den Akten legen...

Kauder: Ich setze darauf, dass der neue Präsident erkennt, wie
wichtig die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA
sind. Das Präsidentenamt wird ihn auch hier hoffentlich zur Einsicht
bringen. TTIP kann auch mit Donald Trump gelingen. Deutschland ist
wie kaum ein anderes Land auf internationalen Handel angewiesen. Wenn
Trump jetzt den amerikanischen Markt für ausländische Produkte
sperren würde, hätten wir ein großes Problem, aber in der Folge auch
die USA. Denn auch Europa und Asien würden reagieren. Auch Trump wird
erkennen, dass Amerika nicht autark leben kann, sondern den Austausch
braucht, wenn es seinen Wohlstand steigern will.

Frage: Wenn Trump seine Ankündigungen wahr macht und sich Amerika
in der Außen- und Sicherheitspolitik weniger engagiert, muss Europa
dann mehr Verantwortung übernehmen? Wird es dann auch für Deutschland
teuer?

Kauder: Europa wird ohnehin mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Bereits Präsident Obama hat von uns gefordert, mehr für Sicherheit
und Verteidigung zu tun. Das müssen wir auch. Dafür ist Vorsorge im
Haushalt getroffen. Europa muss auch hier näher zusammenrücken. Jetzt
sollten die Weichen für eine europäische Armee gestellt werden.

Frage: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat noch immer nicht erklärt,
ob sie 2017 noch einmal bei der Bundestagswahl antritt. Führt an ihr
in dieser schwierigen Zeit überhaupt ein Weg vorbei?

Kauder: Die Bundeskanzlerin wird sich rechtzeitig und zu gegebener
Zeit dazu erklären. Ich wünsche mir, dass sie im kommenden Jahr noch
einmal antritt.

Frage: Nach dem gescheiterten Putschversuch scheint die Türkei auf
dem Weg in Richtung Diktatur zu sein. Grundrechte werden mit den
Füßen getreten, es gibt eine Verhaftungswelle und die kritische
Presse wird mundtot gemacht. Wo bleibt eine klare und entschiedene
Reaktion?

Kauder: Die Entwicklung der Türkei macht uns generell große
Sorgen. Wenn die Türkei tatsächlich wieder die Todesstrafe einführt,
wäre das ein Schritt, der nicht folgenlos bleiben könnte. Dann
müssten die EU-Beitrittsverhandlungen ausgesetzt werden und die
Türkei würde ihre Mitgliedschaft im Europarat ernsthaft aufs Spiel
setzen. Davon hätten weder die Türkei noch Europa etwas.

Frage: Der Bundestag hat das Mandat der Bundeswehr für den
Anti-Terror-Einsatz auf dem NATO-Stützpunkt im türkischen Incirlic
verlängert. Bundestagsabgeordnete dürfen aber nur von Erdogans Gnaden
die Truppe dort besuchen. Ist das nicht völlig inakzeptabel?

Kauder: Es ist völlig klar, dass Bundestagsabgeordnete Soldaten im
Einsatz besuchen können müssen. Darauf legt die Bundesregierung
größten Wert und tut alles dafür, dass das auch gelingt. Wir sind
dort in einer gemeinsamen NATO-Mission zur Bezwingung des IS-Terrors.

Frage: Ankara droht mit der Aufkündigung des Flüchtlingspaktes mit
der EU. Wird das Abkommen scheitern und die Flüchtlingskrise wieder
zurückkehren?

Kauder: Wir brauchen den Flüchtlingspakt mit der Türkei, wenn wir
den Schlepperbanden das Geschäft kaputt machen wollen. Das Abkommen
wirkt und ist ein Erfolg. Wenn sich die Türkei anders entscheiden
sollte und sich nicht an die Vereinbarungen hält, könnten wir
mittlerweile viel besser als noch vor einem Jahr reagieren. Ich setze
darauf, dass wir die Probleme gemeinsam mit Ankara lösen können.

Frage: Bleibt es bei dem Dissens zwischen CDU und CSU beim Thema
Flüchtlingspolitik? Wie steht es mit der Versöhnung der
Schwesterparteien?

Kauder: Wir stimmen in 98 Prozent unserer Positionen überein. Da
können wir auch gut aushalten, dass wir bei 2 Prozent der Fragen
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Aber wir arbeiten auch hier
daran, eine gemeinsame Position zu formulieren.



Pressekontakt:
CDU/CSU - Bundestagsfraktion
Pressestelle
Telefon: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
Internet: http://www.cducsu.de
Email: pressestelle@cducsu.de

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