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"Fremde Götter" Faszinierende Kunst der Sammlung Leopold aus Afrika und Ozeanien - BILD

Geschrieben am 23-09-2016

Von Picasso bis Klee: Leopold Museum zeigt - erstmals in
Österreich - Stammeskunst im Kontext der klassischen Moderne

Wien (ots) - Das Leopold Museum, international bekannt für seine
bedeutende Egon Schiele-Sammlung und Meisterwerke der Secessionszeit,
wartet in dieser Schau mit einer Kollektion afrikanischer und
ozeanischer Kunst auf, die erstmals der Öffentlichkeit präsentiert
wird.

Von 23. September 2016 bis 9. Jänner 2017 zeigt die Ausstellung
"Fremde Götter. Faszination Afrika und Ozeanien" anhand von über 250
Objekten aus West- und Zentralafrika sowie Ozeanien und rund 60
Werken der klassischen Moderne die intensiven Auswirkungen der
sogenannten "primitiven" Kunst auf die Kunst der europäischen Moderne
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Rudolf Leopolds Sammlung umfasst seltene Ahnenfiguren, Tanzmasken,
Waffen, Bauplastiken und andere außergewöhnliche Werke der
Meisterschnitzer Afrikas und Ozeaniens. Dieser Bestand wurde 2006
durch eine Schenkung aus dem Nachlass Erwin Raisp-Caligas
(1862-1915), eines weitgereisten österreichisch-ungarischen
Seeoffiziers um 52 Objekte erweitert und vom Ausstellungskurator und
Tribal-Art Experten Prof. Erwin Melchardt seit 2013 wissenschaftlich
aufgearbeitet.

Die Ausstellung "Fremde Götter. Faszination Afrika und Ozeanien"
beschränkt sich nicht allein auf die über 250 Objekte aus West- und
Zentralafrika sowie Ozeanien sondern zeigt anhand von mehr als 60
hochkarätigen Werken der klassischen Moderne die Auswirkungen der
ursprünglichen Kunst der Ethnien Afrikas oder der Pazifikinseln rund
um Australien auf die Kunst der europäischen Avantgarden der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Picasso und den Kubisten über
deutsche Expressionisten wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und
Max Pechstein bis hin zu den Surrealisten Max Ernst oder Robert
Matta.

Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger verweist auf die
unübersehbaren formalästhetischen Analogien zwischen der sogenannten
"primitiven" Kunst Afrikas und Ozeaniens und den Protagonisten der
europäischen Avantgarde: "Die Begeisterung der Klassischen Moderne
für das vermeintlich Primitive löste Rezeptions- und
Appropriationsprozesse aus, die meist im Spannungsfeld zwischen
Einfühlung und Zweckentfremdung stattfanden. Man könnte überspitzt
meinen, der angestrebte Primitivismus der Moderne sei eines der
kreativsten Missverständnisse der Kunstgeschichte. Nicht übersehen
werden soll bei diesem Diskurs, dass diese Begegnung - mit all ihren
poetischen und ästhetischen Inkongruenzen - nicht nur Bestätigung der
Ausdrucksmacht "primitiver" Kunst durch Connaisseurs und Künstler mit
sich brachte, sondern die westliche Kunst entscheidend inspirierte,
mehr noch, sich selbst neu erfinden ließ."

Die afrikanischen und ozeanischen Objekte dienten klar umrissenen
Riten und Zeremonien. Der geistige Hintergrund geht weit über
Unheil-, Feinde oder Dämonen abwehrende Funktionen hinaus. Die
Kunstwerke fanden als Götterbilder, Ahnen-, Schutz- oder
Wächterskulpturen Verwendung, waren Ausdruck von Rang oder Stellung
innerhalb des jeweiligen Volkes. Masken wurden in Afrika bei Tänzen
im Rahmen von Festen getragen. Aus Ozeanien finden sich verzierte
Instrumente, wie die geschnitzten Schlitztrommeln, ein melanesisches
Plankenboot, Rangfiguren oder Ahnenschädel aus Neuguinea in der
Ausstellung.

Während einzelne Räume gänzlich der afrikanischen oder ozeanischen
Kunst vorbehalten sind, begegnen in den dialogischen Räumen der
Ausstellung ausgewählte Objekte der Stammeskunst Werken bedeutender
Künstler der klassischen Moderne. So trifft etwa eine beeindruckende
Fang-Maske aus Gabun auf gleich vier exemplarische Werke von Picasso,
darunter "Frau mit gefalteten Händen" (1907) aus dem Musée Picasso in
Paris. Eine Baule-Maske der Elfenbeinküste führt zu einer Kopfstudie
von Amedeo Modigliani (1910/11) und Zwillingsfiguren der
nigerianischen Yoruba treffen auf Emil Noldes expressive Figuren im
Gemälde "Mann, Fisch und Frau" (1912).

Von Pablo Picasso ist die Aussage überliefert, wonach er erst
angesichts der afrikanischen Masken "anonymer Künstler" im Pariser
Musée d?ethnographie du Trocadéro erkannt habe, "um was es in der
Malerei wirklich geht". Generell erwachte ab 1905 in Paris, der
brodelnden Kunstmetropole und Hauptstadt einer großen Kolonialmacht,
das Interesse an der Kunst Afrikas. Neben den Fauvisten um Henri
Matisse taten sich auch Kunsthändler wie Paul Guillaume, Alfred
Flechtheim und Daniel-Henry Kahnweiler als Africana-Sammler hervor.
Da sie zugleich als frühe Förderer der künstlerischen Avantgarde
agierten, konnte eine breite Schicht an Kunstschaffenden
entscheidende "primitive" Impulse empfangen. Sowohl in Picassos
Frühwerk als auch in den Arbeiten von Amedeo Modigliani vollzog sich
ein radikaler Wandel vom Gesicht zur Maske.

Ausstellungskurator Erwin Melchardt: "Frühe Reisende und
Ethnografen beschrieben die Masken und Skulpturen "außereuropäischer"
Kulturen als bloße Kuriositäten oder "hässliche Teufelsfratzen" zur
Abschreckung von Feinden und bösen Dämonen. Erst gegen Ende des 19.
und im frühen 20. Jahrhundert milderte sich dieses eurozentristische
Vorurteil. Gerade am Anfang des 20. Jahrhunderts begannen die damals
jungen Künstler der "klassischen Moderne" in Europa die ästhetischen
Qualitäten scheinbar "primitiver Kunst" zu entdecken und als formale
Vorbilder zu schätzen."

Die deutschen Expressionisten aus der Künstlergemeinschaft Brücke
verfolgten lebensreformatorische Ziele. Die Bestände der
Völkerkundemuseen dienten als Inspirationsquelle für ihre eigenen
Schnitzereien, mit denen sie ihre Ateliers ausstatteten. Auf ihrer
Suche nach künstlerischer Ursprünglichkeit übersahen sie mitunter,
dass auch und gerade den Objekten der "Stammeskunst" strenge
Gestaltungsprinzipien zugrunde liegen. Max Pechstein beschränkte sich
in seiner Suche nach einem ekstatischen Urzustand nicht auf die
Badeausflüge an die Moritzburger Teiche und an die Ostsee. Wie
seinerzeit schon Paul Gauguin ließ er sich 1914 auf ein
Südseeabenteuer ein. Die Reise führte zu den Palau-Inseln, einem
Hoheitsgebiet des wilhelminischen Reiches.

Ausstellungskurator Ivan Risti?: "Das Ambiente, die Sitten und die
Lebensgewohnheiten der Lokalbevölkerung fand er in einem Zustand vor,
den er unbedingt konserviert wissen wollte. So lobte er einen
Kolonialbeamten, "der ängstlich darauf achtete, daß nichts
Europäisches eindrang und die Insulaner verdarb."

Den Auftakt der Schau bilden unter anderem "Mirror Masks" des 1970
geborenen algerisch-französischen Künstlers Kader Attia. Die mit
Spiegelsplittern überzogenen Masken der Dogon (Mali) fordern zur
Selbstreflexion auf, indem sie auf die vielfachen Überlagerungen von
traditionellem Kunsthandwerk, klassischer Moderne und
zeitgenössischer Kunst verweisen. Vereinnahmungsmechanismen in den
transkulturellen Beziehungen werden somit ebenso hinterfragt wie der
sukzessive Verlust des Gedächtnisses und des Wissens um die
ursprüngliche Herkunft und Bedeutung von Gegenständen und Riten.

Ivan Risti?: "Es stellt sich nicht so sehr die Frage, ob hier dem
Europäer und seiner multiplen Funktion als Eroberer, Sammler und
Künstler der sprichwörtliche Spiegel vorgehalten wird. Angesichts der
Tatsache, dass in Attias Arbeit der Spiegel mehr schlecht als recht
aus Scherben zusammengefügt wurde und letzten Endes nur ein
pseudokubistisches Zerrbild ergeben kann, bleibt vielmehr offen, wie
die moralische Hypothek überhaupt einzulösen sei."

Eine weitere Station des Ausstellungsrundgangs bildet "Reason?s
Oxymorons", eine Serie von Videoarbeiten, in der sich der
Künstler-Anthropologe Kader Attia epochenübergreifend mit dem
Schicksal des leidgeprüften "Schwarzen Kontinents" befasst. In einer
Reihe von Gesprächen kommen Philosophen, Ethnologen, Historiker oder
Psychoanalytiker aus Europa und Afrika zu Wort. Indem er die Vielfalt
an Schwerpunktsetzungen und methodischen Zugangsweisen demonstriert,
schafft Kader Attia ein neuartiges intellektuelles Kraftfeld, das
nicht den Anspruch erhebt, konkrete Problemlösungen zu bieten,
sondern vielmehr ein anregendes diskursives Labor darstellt.

Katalog zur Ausstellung Zur Ausstellung ist ein zweisprachiger
Katalog (D/E) im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln
erschienen, 256 Seiten, ca. 220 Abbildungen, hrsg. von Hans-Peter
Wipplinger mit Beiträgen von Elisabeth Leopold, Ivan Risti?, Erwin
Melchardt, Stefan Kutzenberger und Hans-Peter Wipplinger Preis: EUR
29,90 (Museumsausgabe)

Weitere Bilder unter: http://www.apa-fotoservice.at/galerie/8124

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM /
Originalbild-Service sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

Rückfragehinweis:
Leopold Museum-Privatstiftung
Mag. Klaus Pokorny - Presse / Public Relations
0043 1 525 70 - 1507
presse@leopoldmuseum.org
www.leopoldmuseum.org

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/573/aom

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