(Registrieren)

Monitor: Pflegedienste missachten regelmäßig Patientenverfügungen

Geschrieben am 08-09-2016

Köln (ots) - Ambulante Pflegedienste sind regelmäßig bereit, gegen
Patientenverfügungen zu verstoßen. Dies geht aus Recherchen des
ARD-Magazins "Monitor" (heute, 21.45 Uhr im Ersten) und einer Umfrage
des Palliativmediziners Matthias Thöns hervor. Bei Stichproben, die
von "Monitor" mit verdeckter Kamera dokumentiert wurden, zeigten fünf
von sechs ambulanten Pflegediensten Interesse, einen unheilbaren
Patienten aufzunehmen und zu beatmen. Und das, obwohl ihnen bekannt
war, dass eine Patientenverfügung vorlag, die dies unmissverständlich
ausschloss.

Der "Monitor"-Stichprobe lag der fiktive, aber realistische Fall
eines unheilbar kranken Mannes zugrunde, der nach einem Unfall im
Wachkoma liegt. Lebensverlängernde Maßnahmen hatte er für diesen Fall
mit einer rechtskonformen Patientenverfügung ausgeschlossen.
Journalisten von "Monitor" stellten sich als angebliche Angehörige
bei fünf Pflegediensten vor und baten darum, den Mann dennoch in
Pflege zu nehmen und künstlich weiter zu beatmen. Alle Einrichtungen
signalisierten die Bereitschaft, den Patienten aufzunehmen. Vier der
fünf Anbieter rieten dazu, die Patientenverfügung durch Angehörige
nachträglich zu ändern oder unter den Tisch fallen zu lassen. "Wenn
Sie sagen, die Patientenverfügung spielt jetzt keine Rolle mehr, dann
müsste sie nach meiner Meinung auch irgendwie weg", hieß es etwa in
einem Fall. Juristen sehen in den von "Monitor" dokumentierten Fällen
Anstiftungen zur Urkundenfälschung bzw. Urkundenunterdrückung. Alle
von "Monitor" besuchten Einrichtungen streiten ab, sich in diesem
Sinne geäußert zu haben.

Zum gleichen Ergebnis wie "Monitor" kommt auch eine bundesweite
Umfrage des Palliativmediziners Matthias Thöns unter ambulanten
Pflegediensten. Von 155 Einrichtungen, die auf die schriftliche
Anfrage geantwortet hatten, erklärten sich 140 bereit, einen
unheilbar kranken Patienten gegen seinen per Patientenverfügung
dokumentierten Willen künstlich am Leben zu erhalten. Dies entspricht
einer Quote von 90 Prozent.

Gesundheitsexperten und -politiker kritisieren in diesem
Zusammenhang Fehlanreize im Gesundheitssystem. Danach kosten
Patienten in sogenannten "Beatmungs-WGs", ambulante Einrichtungen zur
außerklinischen Intensivpflege, durchschnittlich 20.000 Euro pro
Monat, die überwiegend von den Krankenkassen bezahlt werden. "Gerade
Beatmungspatienten sind hochlukrative Patienten", sagt Thomas Sitte,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Palliativstiftung. "Die Joker im
System, wenn Sie so wollen." Insgesamt mache die ambulante Betreuung
ein jährliches Volumen von drei bis fünf Milliarden Euro aus.

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht in den
Finanzierungsregeln im Bereich der ambulanten Intensivpflege
rückblickend einen Fehler. "Das ist ganz klar ein Fehlanreiz. Wir
haben damals nicht bedacht, dass es so einen starken Sog auf die
Patienten ausüben würde. Jetzt beobachten wir in kurzer Zeit eine
enorme Zunahme der Kosten durch die ambulante Versorgung in
Beatmungs-WGs bei gleichzeitiger Verschlechterung der
Betreuungsqualität. Das müssen wir dringend ändern."

"Eine Änderung der Leistungen ist derzeit nicht geplant", erklärt
dagegen das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage von "Monitor".

www.ard-foto.de



Pressekontakt:
WDR Presse und Information, Telefon 0221 220 7100, E-Mail:
wdrpressedesk@wdr.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

598445

weitere Artikel:
  • NOZ: NOZ: Grünlandprämie: Gieseke wirft Minister Meyer Täuschung vor Osnabrück (ots) - Grünlandprämie: Gieseke wirft Minister Meyer Täuschung vor EU-Abgeordneter ist überzeugt: Auch nach 2018 kann es noch eine Förderung geben Osnabrück. Das 2018 drohende Aus der Grünlandprämie in Niedersachsen sorgt für Streit. Landesagrarminister Christian Meyer (Grüne) schiebe den "Schwarzen Peter" nach Brüssel, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Nach Angaben des Ministeriums muss die 100 Millionen Euro schwere Grünlandprämie überarbeitet mehr...

  • NOZ: NOZ: Niedersachsen will Kadaver auf Tierschutzverstöße untersuchen lassen Osnabrück (ots) - Niedersachsen will Kadaver auf Tierschutzverstöße untersuchen lassen Antrag auf Agrarministerkonferenz - Meyer: Verursacher herausfinden und sanktionieren Osnabrück. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer will Tierkadaver künftig untersuchen lassen, um mögliche Verstöße gegen den Tierschutz aufdecken zu können. Wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) berichtet, wird der Grünen-Politiker dazu einen entsprechenden Antrag auf der Agrarministerkonferenz in Rostock einbringen. Darin mehr...

  • NOZ: NOZ: Hannovers Polizei observierte später untergetauchten Salafisten Ahmed A. Osnabrück (ots) - Hannovers Polizei observierte später untergetauchten Salafisten Ahmed A. Ermittlungen stellen Verbindung zur Länderspielabsage her Osnabrück. Der im Juli untergetauchte mutmaßliche Extremist Ahmed A. aus Hannover wurde zuvor monatelang von der Polizei observiert. Das berichtet die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) unter Berufung auf Akten des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Islamismusgefahr. Demnach wurde der 23-jährige Afghane unter anderem während des Hannover-Besuchs von US-Präsident mehr...

  • NOZ: NOZ: Pflegebeauftragter Laumann kündigt Überprüfung der Heilpraktikerausbildung an Osnabrück (ots) - Pflegebeauftragter Laumann kündigt Überprüfung der Heilpraktikerausbildung an CDU-Politiker: Gesetzesrahmen gründlich auf Aktualität prüfen - "Leider einige schwarze Schafe" Osnabrück. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU), kündigt eine Überprüfung der nach mehreren Todesfällen in die Kritik geratenen Heilpraktikerausbildung an. Das sagte Laumann in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Heilpraktiker benötigten hierzulande eine mehr...

  • Rheinische Post: Durchbruch für Fahrrad-Autobahnen Düsseldorf (ots) - Im Bund zeichnet sich eine breite Mehrheit für eine millionenschwere Förderung von Radschnellwegen ab. Nachdem führende SPD-Politiker sich mehrfach für den Bau von Fahrradautobahnen ausgesprochen haben, will jetzt auch die Union im Bundestag Gelder dafür bereitstellen. "Die Verkehrs- und Finanzpolitiker der Union haben sich darauf verständigt, dass der Bau von Radschnellwegen im Bundeshaushalt 2017 erstmals einen eigenen Titel in Höhe von 25 Millionen Euro bekommen sollen", sagte der Chef der Ruhr-CDU, Oliver Wittke, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht