(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu US-Vorwahlen/Sanders

Geschrieben am 15-04-2016

Regensburg (ots) - von Thomas Spang, MZ

Die Zähigkeit des linken Polit-Opas mit dem zerzausten Haar kann
beeindrucken. Eben noch debattiert der 74-jährige Sanders auf einer
Bühne in Brooklyn mit der gesetzten Favoritin des demokratischen
Establishments, kurz darauf jettet er für eine zehnminütige Rede in
den Vatikan. Von dort hofft er mit päpstlichem Rückenwind als erster
über die Ziellinie der Vorwahlen von New York getragen zu werden. Ein
Sieg über die "Beute"-New-Yorkerin Clinton wäre in der Tat "riesig",
wie Bernie mit seinem Brooklyner Akzent zu sagen pflegt. Denn in
allen Umfragen liegt der gebürtige New Yorker in seinem Heimatstaat
deutlich zurück. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass der
Hoffnungsträger der jungen Linken in den USA überraschte. Nach seiner
Schlappe bei den Vorwahlen in South Carolina bereits angezählt,
gelang dem Parteirebellen ein beeindruckendes Comeback: In den
letzten acht von neun Vorwahlen setzte er sich, zum Teil zweistellig,
gegen Clinton durch. Seine idealistischen Anhänger spüren wieder das
Feuer der Leidenschaft, das Sanders in New Hampshire siegen ließ. Die
knapp 30 000 Menschen, die vergangen Mittwoch am Washington Square in
Manhattan bei einer Kundgebung auftauchten, sind der sichtbare
Ausdruck der Vitalität seiner Kandidatur. Zweifelsohne hat Sanders
das, was Wahlkampfanalysten in den USA "Big Mo" nennen - Momentum.
Die offene Frage bleibt, ob das reicht, die harten Realitäten zu
überkommen. Clinton führt dank ihrer überzeugenden Siege im
konservativen Süden der USA, aber auch in wichtigen Bundesstaaten wie
Florida, Illinois, North Carolina und Ohio, mit 220 Delegierten das
Rennen um die Nominierung an. Da die Demokraten ihre Stimmen
proportional vergeben, muss Sanders bei den verbleibenden Vorwahlen
abräumen. So gesehen wird ein Sieg in New York zur Pflicht. Sanders
versteht die Herausforderung. Bei der neunten und vermutlich letzten
Debatte mit Hillary am Donnerstag in Brooklyn legte er die
Samthandschuhe ab und kämpfte mit harten Bandagen. Er hielt Clinton
ein Sündenregister vor, das US-Linke erschaudern lässt. Es reicht von
ihrer Zustimmung zum Irak-Krieg über die Nähe zur Wall Street bis hin
zur Masseninhaftierung der schwarzen Bevölkerung nach der
Strafrechtsreform in den 90er Jahren. Der Clash mit Clinton in New
York legt die Verwerfungen innerhalb der Demokraten offen, die Dank
des Spektakels auf Seiten der Republikaner bisher nur wenig Beachtung
fanden. Die idealistischen "Sandernistas" können wenig mit dem
technokratischen Zentrismus der Hillary-Anhänger anfangen - und
umgekehrt. Im Unterschied zu den Republikanern, steht das
Establishment der Demokraten auf Seiten der Spitzenreiterin. Dass
Sanders sie als "nicht qualifiziert" für das Präsidentenamt
bezeichnete, half ihm bei der Parteiführung ebensowenig, wie er seine
eigene Glaubwürdigkeit mit einem desaströs schwachen Interview mit
der New York Daily News untergrub. Hillary hat in der Partei den
Status einer Schulleiterin. Sie wird nicht von allen geliebt, aber
von den meisten geachtet. Sie inspiriert selten, aber überzeugt immer
durch solide Sachkenntnis. Das zählt eine Menge angesichts der
drohenden Kandidatur des Nationalisten Donald Trump. Und es
verringert die Bereitschaft der Basis, ein Risiko mit Sanders
einzugehen. Sein Sieg in New York käme deshalb einem politischen
Wunder gleich. Eine Niederlage besiegelte das Ende der
Sandernista-Revolte.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

589075

weitere Artikel:
  • Schwäbische Zeitung: Kommentar: Franziskus ist kein Sonntagspapst Ravensburg (ots) - Man könnte es sich leicht machen und sagen: Er macht es sich leicht, dieser Papst. Der hat schließlich keinen Front National oder eine AfD im Rücken oder - wie die deutsche Kanzlerin - eine verunsicherte Partei. Da kann der zum Flüchtlingselend leicht beschwörende Worte reden und mit großen Gesten aufwarten. Daran ist vordergründig etwas Wahres. Aber im Kern ist die Sache dann doch anders und viel einfacher. Eben weil Franziskus keiner Partei und keinem Wahlvolk verpflichtet ist, sondern nur dem Evangelium, mehr...

  • Rheinische Post: Gut, dass die Gerichte jetzt entscheiden Düsseldorf (ots) - Kommentar von Michael Bröcker Der antiquierte Paragraf der "Majestätsbeleidigung", 103 StGB, soll abgeschafft werden. Künftig muss die Politik die Richter nicht mehr "ermächtigen", wenn sich ausländische Staatschefs verunglimpft fühlen. Gut so. Kanzlerin Merkel hat trotzdem ein Problem: Mit ihrer eigenmächtigen Entscheidung schürt sie den Verdacht, dass der Flüchtlingspakt mit der Türkei ihr wichtiger ist als ein kraftvolles Signal für Meinungsfreiheit. Merkel will Ankara nicht verärgern. Ausgerechnet Erdogan, mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Bloß nicht anecken / Leitartikel von Ulrich Kraetzer zu Berliner Grüne Berlin (ots) - Die Grünen halten die Kritik an SPD und CDU offenkundig für erfolgversprechender als den Versuch, sich vorrangig mit eigenen Vorstellungen zu profilieren - und damit womöglich anzuecken. Die Strategie könnte funktionieren. Denn die Fehler der Koalition müssen die Grünen tatsächlich nicht herbeireden. Bis zur Wahl vergehen allerdings noch einige Monate. So mancher Wähler könnte sich bis dahin fragen, was die Grünen denn in der Regierung so machen wollen - und ob man nicht auch Linke oder FDP wählen könnte. Die Grünen mehr...

  • Der Tagesspiegel: Nowitzki-Mentor Geschwindner: NBA-Superstar Curry wird den Basketball verändern Berlin (ots) - Berlin - Dirk Nowitzkis Trainer und Mentor Holger Geschwindner glaubt, dass NBA-Superstar Stephen Curry den Basketball nachhaltig verändern wird. "Wir erleben eine Basketball-Revolution", sagte der 70-Jährige dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel am Sonntag". "Die Sportart hat sich in ihrer Geschichte schon sehr oft grundlegend geändert, zurzeit dreht sie sich wieder einmal um." Online unter: http://www.tagesspiegel.de/sport/holger-geschwindner -im-interview-wir-erleben-eine-basketball-revolution/13457716.html mehr...

  • Der Tagesspiegel: Caritas: Vor einem Integrationsgesetz bräuchte es ein Einwanderungsgesetz Berlin (ots) - Berlin - Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, hat der Bundesregierung vorgeworfen, mit ihrem geplanten Integrationsgesetz den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. "Im Grunde bräuchten wir ein durchdachtes und sorgfältig gemachtes Einwanderungsgesetz - und erst danach eines für Integration", sagte Neher dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Online unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/armutsdebatte-car itas-fordert-hoehere-steuern-auf-kapitalertraege/13457234.html Inhaltliche mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht