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Reichtumsforscher beanstandet Forschungslücken Potsdamer Soziologe: "Wir haben keine Daten." / DPWV-Geschäftsführer Ulrich Schneider wirft Andrea Nahles vor, den Armutsbegriff "klein zu raspeln" (FOTO

Geschrieben am 11-03-2016

Mainz (ots) -

Nach Einschätzung des Potsdamer Soziologen Prof. Dr. Wolfgang
Lauterbach fehlen in Deutschland gesicherte Daten und Fakten zu den
Reichen und deren Vermögen. "Wir wissen zu wenig über Reiche", sagte
Lauterbach im SWR Fernsehen. "Weil wir so wenig wissen, können wir
keine vernünftige Diskussion darüber beginnen, ab wann ist es
sinnvoll zu besteuern." Die bisherigen Veröffentlichungen zu Reichen
in Deutschland beruhten auf sehr kleinen Stichproben und Schätzungen,
deren Aussagewert deshalb unter Fachleuten als wenig verlässlich
bewertet werde.

Lauterbach, der mit einem Forscherteam das aktuelle, noch
unveröffentlichte Gutachten zu "Reichtum in Deutschland" für den zum
Jahresende angekündigten "Armuts- und Reichtumsbericht" der
Bundesregierung verfasst hat, sieht erhebliche Forschungslücken.
"Reichtum ist noch mit Unwissen behaftet", lautet das Fazit seiner
Untersuchungen. "Es gibt zu wenige Leute, die sich mit Reichtum
beschäftigen." Zudem sei Deutschland schlicht und einfach eine
Gesellschaft, "in der man wenig über Reichtum spricht." Darum gebe es
keinen "gesellschaftlichen Diskurs" zu diesem Thema.

Große Vermögen, die sich "von nationalen Gesetzgebungskontexten
lösen", sind nach Lauterbachs Einschätzung in Deutschland, Europa und
weltweit gestiegen. Es bildeten sich "Parallelgesellschaften" von
Vermögenden, "die sogar unabhängig von Nationalstaaten agieren" und
vielleicht "Nationalstaaten gegeneinander ausspielen können".

Gründe für das enorme Wissens-Vakuum über Reichtum in Deutschland
seien - so der Experte - auch hausgemacht: "Wir haben keine Daten,
wir haben keine Gesetze, die etwas klar machen. Weder die
Steuergesetzgebung noch andere Datenquellen haben über den oberen
Bereich irgendetwas in petto. Im Gegenteil - manche Studien sind
gedeckelt, das heißt nach oben fragt man nicht weiter ab. Und: Wir
haben eine Neidkultur."

Ein weiteres Problem bei der Erfassung großer Vermögen sei deren
genaue Bewertung - etwa von Grundstücken, Immobilien oder Geldanlagen
-, weil diese "mit großen Variationen behaftet" seien. Zudem sei die
Auskunftsbereitschaft der Betroffenen gering; mit der Sicherung ihrer
Anonymität wollten sie Neid-Diskussionen aus dem Weg gehen.

Wohlfahrtsverband wirft Arbeitsministerin Andrea Nahles vor, den
Armutsbegriff "klein zu raspeln"

Der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes (DPWV), Dr. Ulrich Schneider, wirft der für den
"Reichtums- und Armutsbericht" zuständigen Ministerin Andrea Nahles
vor, den Armutsbegriff zu eng zu fassen. Gegenüber dem SWR sagte
Schneider: "Das Ziel dieser Aktion ist klar: Sie will den
Armutsbegriff klein raspeln. [...] Wir können uns darauf einstellen,
dass Frau Nahles weiter versuchen wird, den Armutsbegriff auf
tatsächliches Elend zu reduzieren, so dass das Thema verschwindet.
Wir können aber auch versprechen, es wird nicht gelingen, weil wir,
der Paritätische und andere Wohlfahrtsverbände und viele
Wissenschaftler, sehr lautstark dagegenhalten werden."

In der SWR Dokumentation "Leif trifft: Das arme Deutschland" am
16. März 2016, 20:15 Uhr im SWR Fernsehen, sagte Schneider: "Die
Politik weiß sehr gut: Wenn sie wirklich Armut bekämpfen wollte,
müsste sie in Deutschland tatsächlich umverteilen. Sie müsste den
Reichen nehmen. Sie müsste die Erbschaftssteuer erhöhen. Sie müsste
die Vermögenssteuer einführen. Sie müsste die Spitzensätze in der
Einkommenssteuer erhöhen. Sie müsste einer Klientel wehtun, die ja
offensichtlich sehr wichtig ist. Das will sie nicht und deswegen
leugnet sie Armut, deswegen schreibt sie Armut klein."

Zitate nur mit Quellenangabe frei:

SWR Dokumentation "Leif trifft: Das arme Deutschland - Kein
Wohlstand für alle". Film von Thomas Leif und Harold Woetzel SWR
Fernsehen, 16. März 2016, 20:15 Uhr

Fotos auf ARD-Foto.de.

Film vorab für akkreditierte Journalisten auf presseportal.SWR.de.

Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel.: 06131 929-32755,
Sibylle.Schreckenberger@SWR.de


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