(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Seehofer schwächt Merkel - Die CSU ist drauf und dran, die Regierung gegen die Wand zu fahren. Das nutzt jedoch nur der AfD. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 27-01-2016

Regensburg (ots) - Opposition ist Mist, so lautet ein Satz von
Franz Müntefering. Als Mann hinter Gerhard Schröder tat er viel, um
dem Agenda-Kanzler den Rücken freizuhalten. Vor elf Jahren war der
Sauerländer ein Wegbereiter der damaligen ersten Großkoalition unter
Angela Merkel. Und Müntefering war einer, der dafür sorgte, dass die
politische Zweckehe vier Jahre lang hielt. Unvergessen der gemeinsame
Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer
Steinbrück, die im Oktober 2008 den verunsicherten Sparern erklärten,
ihre Einlagen seien trotz Bankenkrise sicher. Große Koalitionen
sollten die Ausnahme in einer funktionierenden Demokratie sein. Mit
großer parlamentarischer Mehrheit ausgestattet, sollen sie besonders
große Aufgaben meistern. Eigentlich. Doch dass, was die Drei von der
Zankstelle derzeit in der Flüchtlingspolitik veranstalten, ist ein
unwürdiges Hin und Her. Ein Hühnerhaufen ist eine geordnete Formation
dagegen. Die Risse sind vor dem heutigen Spitzentreffen der
Koalitionäre im Kanzleramt immer tiefer geworden. Vor allem CSU-Chef
Horst Seehofer ist mit seinen ständigen Drohungen und Ultimaten drauf
und dran, diese Koalition und die Regierung Merkel gegen die Wand
fahren zu lassen. Aber will er das wirklich? Auch dem bayerischen
Löwen sollte doch klar sein, dass der Dauerclinch der großen
Koalition in der Flüchtlingspolitik nur den Rechtspopulisten der AfD,
aber auch den Hardlinern in Ungarn, Polen oder Dänemark nutzt. Und
sollte sich ganz Rechts von der Union wirklich eine Partei
etablieren, könnte die große Koalition zur Regel werden. Wenn man den
beiden geschrumpften Volksparteien überhaupt noch das Adjektiv groß
zusprechen darf. Dass ein Parteichef, der mit am Tisch der
Koalitionsspitzen sitzt, mit dem Gang nach Karlsruhe droht, wenn die
Kanzlerin ihren Kurs nicht flugs ändere, ist zwar nicht ganz neu.
Auch die mitregierende FDP zog einst nach Karlsruhe, um klären zu
lassen, ob deutsche Soldaten an Bord von Nato-Aufklärungsflugzeugen
über Krisengebieten Dienst tun dürfen. Doch im Fall Seehofer kontra
Merkel liegen die Dinge anders. Hier geht es nicht um ein politisches
Detail, sondern um eine Grundfrage der Regierungspolitik. Es geht
auch um die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin, die jahrzehntelang
Grundfeste des Regierungshandelns war. Seehofer untergräbt zumindest
die Autorität Merkels, macht sie zu einer Getriebenen. Er schwächt
damit auch ihr Gewicht auf europäischem und internationalem Parkett.
Er hintertreibt damit Merkels Politik einer internationalen, einer
zumindest europäischen Lösung der Flüchtlings-Krise. Das jetzt in den
Details so heftig umstrittene Asylpaket II etwa wurde im Kern bereits
vor acht Wochen beschlossen. Doch bisher behaken sich die
Koalitionäre darüber, ob und wie umfassend etwa der Familiennachzug
für Flüchtlinge begrenzt werden soll. Schnellere Asylverfahren, wie
seit Monaten versprochen, lassen ebenfalls noch auf sich warten.
Zumindest macht die Koalition nach den schlimmen Übergriffen in der
Silvesternacht in Köln und anderswo Nägel mit Köpfen. Die Abschiebung
von straffällig gewordenen Flüchtlingen und Asylbewerbern soll
leichter möglich werden. Wenn die Länder sie auch konsequent
umsetzen, heißt das freilich. Die große Koalition gibt seit dem
Flüchtlingssommer keine gute Figur ab. Sie hat mit einem ständigen
Hüh und Hott zur Verunsicherung vieler Menschen beigetragen. Die
Zweifel daran, ob Deutschland die Herausforderung durch die
Flüchtlinge wird meistern können, sind zuletzt gewachsen. Vielleicht
würde Müntefering heute sagen: auch Regieren kann manchmal Mist sein.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

584120

weitere Artikel:
  • Thüringische Landeszeitung: Kein Vergleich - Von Ex-IMs möchte man nicht regiert werden / Leitartikel von Axel Zacharias zur "Parlamentsunwürdigkeit" ehemaliger Stsi-Spitzel im Thüringer Landtag Weimar (ots) - Ein User schrieb der TLZ im Internet zu einstigen Stasi-Mitarbeitern im Landtag: "Nach 26 Jahren sollte mal Schluss sein, ein Mörder kann nach 15 Jahren das Gefängnis verlassen. Die Aufarbeitung des Systems DDR und der dazu gehörenden Diktatur sollte die Wissenschaft tun." Das kann man so sehen. Jedoch ist diese Position problematisch, weil sich jeder Täter sicher sein kann, dass nach einer Schamfrist sein widerliches Tun der Vergessenheit anheim fällt. Sollen doch die Opfer, die teils bis heute an den mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: Worten folgen Taten / Kommentar von Jan-Henrik Wiebe zu den Angriffen auf Journalisten bei einer AfD-Demonstration am Mittwoch in Magdeburg Weimar (ots) - Die Übergriffe auf Journalisten bei der AfD-Demonstration in Magdeburg sind kein trauriger Einzelfall. Bereits vorher gab es Angriffe und Verfolgungen von Journalisten, wie ich selbst in Erfurt erlebt habe. Wer wöchentlich gegen "die Medien" hetzt, muss sich nicht wundern, wenn einzelne Anhänger irgendwann Taten folgen lassen. Die AfD-Politiker und -Anhänger müssen sich deshalb umso deutlicher von Gewalt distanzieren. Kritik an Berichterstattung ist erwünscht und gehört genauso zu unserer Demokratie dazu wie die mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: Debatten-Anschieber - Die Einwürfe des Alt-Innenministers / Leitartikel von Gerlinde Sommer zu Warnungen von Richard Dewes von der SPD zur Gebietsreform in Thüringen Weimar (ots) - Die Thüringer SPD-Spitze rund um Andreas Bausewein und seinen Innenminister Holger Poppenhäger brauchen die CDU nicht, wenn sie sich mal die Leviten lesen lassen wollen. Dafür gibt es Richard Dewes. Er sieht sich als Mahner. Seine Parteifreunde sehen ihn, wenn sie denn in sein Visier geraten, wohl eher als Störenfried. Immer noch bestens vernetzt - und das nicht nur, weil seine Frau der Landtagsfraktion angehört. Nun könnten sich die heutigen SPD-Macher sagen: Das ist alles gar nicht so wichtig. Aber: Richard Dewes mehr...

  • neues deutschland: "Yad Vahem"-Vorsteher Shalev zu Pegida: "Wir vertrauen in die deutsche Gesellschaft" Berlin (ots) - Die Pegida-Demonstrationen und NPD-Aufmärsche in Deutschland werden in Israel aufmerksam verfolgt, sagt Avner Shalev, Vorsitzender der Gedenkstätte Yad Vashem, in einem Interview für die in Berlin erscheinende Tageszeitung "neues deutschland" (Freitagausgabe). "Aber wir vertrauen und bauen auf die deutsche Gesellschaft und hoffen, die deutschen Politiker wissen, was zu tun ist." Anlass zur Sorge würden den Israelis auch die zunehmenden Spannungen in Europa, vor allem um die Flüchtlingsfrage, bereiten. Shalev (Jg. mehr...

  • Rheinische Post: Oppermann fordert mehr Selbsthilfe von Flüchtlingen Düsseldorf (ots) - SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat Flüchtlinge in Deutschland aufgefordert, mehr eigenes Engagement in den Unterkünften zu zeigen. "Die Selbstorganisation in den Flüchtlingsunterkünften ist noch ausbaufähig", sagte Oppermann der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Die Flüchtlinge könnten zudem selbst mehr Verantwortung übernehmen. So gebe es bereits Unterkünfte, in denen sich Flüchtlinge einen Sprecher oder Sprecherrat wählten, sagte Oppermann. "Das ist wichtig, damit sich die Flüchtlinge mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht