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Allg. Zeitung Mainz: Frieden, aber wie? / Kommentar zu Weihnachten, von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 23-12-2015

Mainz (ots) - Da ist es wieder. Dieses besondere Gefühl, das sich
in den letzten Stunden vor Weihnachten verbreitet. Die Rückbesinnung
auf die Kindheit, die Dankbarkeit gegenüber den Eltern, ob sie noch
leben oder uns schon verlassen haben. Mit einem Mal fällt der Ballast
des Alltags von uns ab, scheint die Welt in weite Ferne zu rücken.
Wie verlockend dieser Rückzug ins Private auch ist - eine heimische
Bundestagsabgeordnete feiert die Geborgenheit ihrer Kleinfamilie in
einem Weihnachtsgruß gar als das schönste aller Geschenke: Wir können
das Fest des Friedens nicht feiern, ohne uns an den Unfrieden zu
erinnern, der uns umgibt. Den Krieg in Syrien und im Irak. Den
Bürgerkrieg in Kurdistan zwischen der türkischen Staatsmacht und der
PKK. Und nach den verheerenden Anschlägen von Paris müssen wir uns
leider gewiss sein, dass islamistische Terroristen alles daran setzen
werden, den Krieg in unsere Städte und in unsere Herzen zu tragen.
Zugleich versuchen Rassisten, nicht nur Flüchtlingsheime, sondern
auch unsere Köpfe in Brand zu stecken. Pegida lässt grüßen.

Wie wollen wir unsere Werte verteidigen?

Es ist vor allem der Flüchtlingsstrom, der uns auch an den
Feiertagen nicht loslassen wird. Nicht allein, weil in vielen
Weihnachtspredigten die Analogie zwischen der heiligen Familie, die
keine Herberge fand, und den Menschen, die zu uns gekommen sind,
beschworen wird. Seit dem Fall der Mauer und der deutschen Einheit
hat kein Thema mehr unser Denken und unser Bewusstsein so beherrscht
wie der Beginn dieser modernen Völkerwanderung. Und der politische
Streit darum, wie wir dieser Mammutaufgabe Herr werden sollen, welche
Antworten wir darauf haben, welche Gefahren sie birgt, ja mit welchem
Menschenbild wir dieser Herausforderung entgegentreten, werden in den
kommenden Tagen auch unsere Begegnungen in der Familie und mit
Freunden und Verwandten bestimmen. So erleben die Deutschen das
politischste Weihnachtsfest seit vielen Jahren. Wenn sich der eine
auch an den Feiertagen aufmacht, um sich im benachbarten
Flüchtlingsheim zu engagieren und der andere den Untergang des
Abendlandes heraufziehen sieht, dann war das Private noch nie so
politisch. Es ist unvermeidlich, es ist richtig, dass wir diesen
Streit miteinander führen. Wir können dabei erkennen, dass ohne
Engagement, ohne Empathie und auch Mitgefühl die Verteidigung unserer
Werte gar nichts wert ist. So wie Empathie und Hilfsbereitschaft
nicht die Lösung politischer Probleme ersetzt: Die Bekämpfung der -
von uns mitzuverantwortenden - Fluchtursachen, die Wiederherstellung
geordneter Abläufe und rechtsstaatlicher Verfahren, die
Herkulesaufgabe Integration.

Es geht nicht um Hilfsbereitschaft vs. Hartherzigkeit

Bei allem notwendigen Streit darum dürfen wir uns nicht vormachen
lassen, es gäbe nur Schwarz oder Weiß, nur Hilfsbereitschaft oder
Hartherzigkeit - beziehungsweise aus dem anderen Blickwinkel nur
Helfersyndrom oder pragmatischen Realismus. Gerade diejenigen
Menschen, die sich persönlich um Flüchtlinge kümmern, sind sich der
finanziellen, organisatorischen und kulturellen Probleme oft nur
allzu bewusst, vor die uns die Fluchtbewegungen stellen. Wir müssen
auch aushalten, dass sich gerade in elementaren Fragen nicht jeder
Streit auflösen lässt, Positionen unvereinbar bleiben. Wer für die
Bewahrung unserer aufgeklärten Gesellschaft eintritt, der lässt aber
eines nicht zu: Dass wir uns angesichts dieser Herausforderungen und
selbst im Wissen um die terroristische Bedrohung radikalisieren. #



Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de


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