(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Die Gegner sind wir alle / Leitartikel von Hajo Schumacher

Geschrieben am 14-11-2015

Berlin (ots) - Die Schüsse von Paris hätten jeden von uns treffen
können, als Samstagsflaneure, als Konzertbesucher, als Fußballfans.
Blindwütig wurde auf Menschen gefeuert. Terrorismus erscheint als
wirre Brutalität. Doch das ist falsch. Mögen Menschen mit MG und
Bombengürtel verblendet sein, die Drahtzieher dahinter haben einen
kalten Plan: Das Attentat ist nicht dessen Ende, sondern Anfang. Die
Gegner, also wir, sollen immer weiter verängstigt und zu
Kurzschlussreaktionen getrieben werden. Vor 14 Tagen erst rühmte sich
der IS, eine russische Passagiermaschine mit 224 Passagieren
abgeschossen zu haben. Aus lauter Angst vor der Freiheit, so das
tückische Kalkül, ballern wir schließlich auch blindwütig um uns. Und
schaffen unsere Freiheit schließlich selbst ab. So schmutzig die
Mörder von Paris auch wüteten: Unser größter Feind ist und bleibt
unsere eigene Angst. Der größte Feind des Terrorismus dagegen ist
kluges, besonnenes Handeln. Dazu gehören aufmerksame Geheimdienste.
Aber keine Paranoia. Und die Kraft, den erstbesten Reflexen und
Rhetoriken zu widerstehen. Schwache Anführer betrachten Attentate als
Chance, Härte zu zeigen, so wie George W. Bush nach 9/11. Es folgten
die Kriege in Afghanistan und im Irak. Und 14 Jahre später? Bin Laden
und Saddam sind tot. Aber die Taliban wüten unvermindert weiter.
Saddams Offiziere haben den IS erfunden. Die Militäreinsätze haben
weit mehr Tote und Traumatisierte gefordert als der Angriff aufs
World Trade Center. Abermilliarden wurden verpulvert, failed states
geschaffen, dem Terror noch Zulauf verschafft. Krieg ist eine
emotionale, aber keine kluge Antwort, erst recht nicht, wenn es
keinen Plan für das Danach gibt. Genau diese Eskalation von Gewalt
gehört zum Teufelsplan des Terrors. Frankreichs Regierungschef
François Hollande spricht, wie damals Bush, von kriegerischen Akten.
Wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder gelobt Angela Merkel
Bündnistreue. Wie bei den Taliban und Afghanistan ist die Lage rund
um IS und Kurden, Syrien und Irak, EU und Türkei, Russland und den
USA hochkomplex. Wer von Krieg spricht, muss wissen, wo eigentlich
welcher Gegner sitzt. Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten dieser
Welt, dass ein Staat an Dax-Unternehmen beteiligt sein, eine
Fußball-WM ausrichten und zugleich den internationalen Terrorismus
fördern kann. Dass unsere Zivilisation, unsere Werte, unsere freien
Leben angegriffen wurden, wird nach solchen Grausamkeiten
richtigerweise festgestellt. Die fundamentale Frage dahinter aber
lautet: Wie reagiert diese, unsere Zivilisation auf solche Angriffe?
Mit Luftschlägen? Das britisch-kühle "Keep calm and carry on" bietet
sicher keine befriedigende Antwort. Aber womöglich die am wenigsten
falsche.

Den Leitartikel gibt es auch unter http://www.morgenpost.de/meinun
g/article206575937/Die-Gegner-der-Terroristen-von-Paris-sind-wir-alle
.html



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

579613

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Zeitung: Der Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, Frank Baasner, glaubt nicht, dass Deutschland in ähnlichem Maße terrorgefährdet ist wie Frankreich. Stuttgart (ots) - Der Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, Frank Baasner, glaubt nicht, dass Deutschland in ähnlichem Maße terrorgefährdet ist wie Frankreich. "Dort sind die meisten Muslime Araber, bei uns sind es vor allem Türken. In Syrien und im Irak findet aber ein arabischer Krieg statt. Wäre das Kriegsgeschehen mit dem IS in der Türkei, hätten wir eine wesentlich schärfere Gefahrenlage in Deutschland", sagte Baasner in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Der Professor, der am Romanischen Seminar der Universität mehr...

  • Badische Zeitung: Frankreichs Feind ist der radikalislamische Wahn im eigenen Land - Kommentar von Axel Veiel Freiburg (ots) - Frankreich ist im Krieg. Soldaten patrouillieren durch Paris. François Hollande hat den Ausnahmezustand verkündet. Die Grenzkontrollen werden verschärft. Doch der Feind stellt sich nicht. Anders als Frankreichs Staatschef versichert, haben es die Franzosen nicht mit einer terroristischen Armee zu tun, sondern mit aus dem Untergrund agierenden Kommandoeinheiten. Sie waren nicht weiter aufgefallen, bis sie zur Tat schritten, und sie fallen womöglich auch nach ihr nicht weiter auf. Und was das Beängstigendste ist: Der mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Nach den Anschlägen in Paris verurtelt Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, die Attacken. Er befürchtet eine neue Welle der Islam-Feindlichkeit in Stuttgart (ots) - Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, befürchtet, dass die Attentate von Paris in Deutschland eine neue Welle der Islam-Feindlichkeit hervorrufen werden. "Im Moment herrscht in Deutschland wegen der Flüchtlingskrise sowieso eine sehr angespannte Situation und rechtspopulistische Gruppen wie Pegida oder die AfD werden das für sich ausnutzen. Sie werden sich in ihrer Anschauung und in ihren Argumenten bestärkt fühlen und damit auch noch lauter in der Öffentlichkeit auftreten", sagte mehr...

  • Der Tagesspiegel: Özdemir: Wer Flüchtlinge zur Zielscheibe erklärt, verhöhnt die Opfer in Paris Berlin (ots) - Berlin - Grünen-Chef Cem Özdemir hat davor gewarnt, angesichts des Terrors in Paris Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Natürlich müssten Sicherheitsmaßnahmen überprüft werden, aber: "Wenn rechte Fanatiker hierzulande jetzt die Flüchtlinge, die häufig selbst vor dem IS geflohen sind, zur Zielscheibe erklären, dann verhöhnen sie die Opfer in Paris nachträglich", sagte Özdemir dem "Tagesspiegel am Sonntag". Online unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/liveticker-terror -in-paris-is-bekennt-sich-zu-anschlaegen-und-droht-mit-neuem-terror/1 mehr...

  • Rheinische Post: Gewerkschaft der Polizei fordert bessere Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung Düsseldorf (ots) - Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, hat angesichts der Terroranschläge in Paris bessere Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung gefordert. "Das eng gefasste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss überdacht werden", sagte Radek der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Onlineausgabe). "Die Polizei muss Anschläge wie die in Paris unter allen Umständen verhindern", sagte der GdP-Vize. Dazu müsse sie wissen, wo terroristische Zellen sind, welche Personen darin verstrickt mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht