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Westfalen-Blatt: zur Flüchtlingspolitik

Geschrieben am 04-09-2015

Bielefeld (ots) - Ein Bild, wie das des toten syrischen Jungen am
Strand, sagt mehr als alle Worte. Es ist jedoch nicht zu erwarten,
dass dieses Foto die Lautsprecher in der Flüchtlingsdebatte für einen
Moment zum Innehalten bewegen könnte. So hält Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orbán die europäische Flüchtlingskrise für
ein deutsches Problem. Mit solchen Äußerungen wird die Diskussion für
alle, die sich mit Vernunft und Verstand zu beteiligen versuchen oder
sie einfach nur interessiert verfolgen, immer unerträglicher.
TV-Prominente wie Joko und Klaas, Til Schweiger und Dunja Hayali
sehen sich Hasstiraden in sozialen Medien ausgesetzt, weil sie
Asylbewerber willkommen heißen wollen. In diesen Fällen kommt die
Hetze aus der rechtsextremen Ecke. Doch es gibt noch andere Arten
verbaler Scharfmacherei. Der populäre Fernsehphysiker Ranga Yogeshwar
nimmt im Zusammenhang mit der Unterbringung der Asylbewerber in
Deutschland allen Ernstes den Begriff »Konzentrationslager« in den
Mund. Und die Grünen-Vorsitzende Simone Peter pflichtet ihm bei »Hart
aber fair« mit dem Geständnis bei, sie fühle sich durch spezielle
Aufnahmezentren nur für Balkanflüchtlinge an die Zigeunerlager der
Nazis erinnert. Wer sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu
solchen Aussagen hinreißen lässt, nimmt billigend in Kauf, mit seinen
Worten die Mitte der Gesellschaft zu radikalisieren. Denn wer auf
diese unlautere Weise das Wort für Flüchtlinge zu führen vorgibt, der
erreicht exakt das Gegenteil. Nämlich Abwehrreflexe auch bei den
gutmeinenden Menschen, die sich in den Kommunen für Asylbewerber
einsetzen. Wer die Unterkünfte »Konzentrationslager« nennt, der
beleidigt die ehrenamtlichen Helfer - und unser Land. Hat Yogeshwar
Konsequenzen zu fürchten? Streicht ihm der WDR die Sendeplätze? Wird
»Hart aber fair« aus der Mediathek genommen? Kein Staat in Europa tut
mehr für Flüchtlinge als Deutschland. Doch offensichtlich sind
800 000 Flüchtlinge, aus denen am Jahresende eine Million
werden dürften, nicht genug. Warum nicht gleich drei, fünf oder
sieben Millionen Menschen aufnehmen? Wenn die Nazikeule ordentlich
schwingt, dann besorgt das schlechte Gewissen schon den Rest - das
hat früher funktioniert. Aber heute? Trotz Angela Merkels
ausgewogener, klarer Worte herrscht in der Flüchtlingsdebatte noch
keine Vernunft. Zwischen der Idealisierung (Fachkräfte) und der
Dämonisierung (Armutszuwanderer) der Flüchtlinge ist kaum Raum für
Differenzierung zu erkennen. Auch wenn die Große Koalition an diesem
Sonntag im Kanzleramt schnellere Asylverfahren beschließen und sich
einig zeigen sollte: Das Megathema der Bundestagswahl in zwei Jahren
steht fest. Der Ausgang hängt davon ab, wie sich die Flüchtlingskrise
bis dahin entwickeln wird.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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