(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Griechenland-Rettung

Geschrieben am 19-08-2015

Bielefeld (ots) - Eigentlich hat der Bundestag am Mittwoch über
ein Phantom abgestimmt - jedenfalls gemessen an den zahlreichen
politischen Beschwörungen bis in die jüngste Vergangenheit. Danach
dürfte es ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland gar nicht
geben. Noch im Frühjahr hatte zum Beispiel Unionsfraktionschef Volker
Kauder verkündet: »Wir denken an keine weiteren Programme.« Wer
kürzlich noch so redete, der muss sich zwangläufig schwer damit tun,
den eigenen Truppen binnen weniger Monate das glatte Gegenteil
unterzujubeln. Kauders ungeschickte Drohungen haben am Ende noch mehr
Widerstand provoziert. Mehr als jeder fünfte der anwesenden
Unionsabgeordneten lehnte das Hilfspaket ab. Ist das nun ein
Misstrauensbeweis gegen Angela Merkel? Noch nicht direkt. Große
Regierungsmehrheiten erzeugen zuweilen einen Mangel an
Selbstdisziplin. Dass dieser Mangel allerdings zum zweiten Mal
hintereinander in kurzer Zeit so massiv ausfällt, muss für die
Kanzlerin ein erstes Warnsignal sein. Mit der Zustimmung zu den
Rettungsmilliarden bröckelt auch das System Merkel. Das Vertrauen in
sie und ihre Autorität, ihre moderierende Art, die Eigenschaft
abzuwarten, im Ungefähren zu bleiben und sich im geeigneten Moment
auf die Seite der Mehrheit zu schlagen, wie es schon ihr Ziehvater
Helmut Kohl meisterhaft verstanden hatte, stoßen zunehmend an Grenzen
im eigenen Lager. Dort würde man ja gerne glauben, dass Merkels Weg
für Griechenland richtig ist. Doch die Praxis wirkt zu mächtig, als
dass man sie kollektiv ignorieren könnte. Mit jedem Hilfsprogramm hat
sich die Lage in Griechenland verschlechtert. Vor allem aber: Die
Griechen selbst sehen in den Rettungspaketen keine Hilfen, sondern
eine Demütigung. Daran dürften auch die neuen Milliarden-Transfers
nichts ändern. Anstatt sich endlich einzugestehen, dass Athen seine
Schulden niemals wird zurückzahlen können, regiert einmal mehr der
Selbstbetrug. Rund zwei Drittel der geplanten Unterstützung sind für
Zinsen und Tilgung alter Kredite reserviert. Man macht also neue
Schulden, um alte zu begleichen. Den Preis dafür zahlen die
Griechen unter anderem mit Rentenkürzungen und einer Erhöhung der
Unternehmenssteuern. Geld für dringend Investitionen bleibt auch
mit dem neuen Hilfsprogramm aus. Kurzum, Merkels Irrweg wird
unbeirrt weiter beschritten. Ihrer großen Popularität in den Umfragen
hat das freilich nicht geschadet. Der Kanzlerin spielt in die Hände,
dass das Jonglieren mit zweistelligen Milliardensummen eine ziemlich
abstrakte Angelegenheit ist. Auch musste noch kein Bundesbürger wegen
Griechenland auf irgendetwas persönlich verzichten. In Merkels
Amtszeit wird das auch so bleiben. Ob es Verluste für Deutschland
gibt,wird sich erst in ferner Zukunft bemerkbar machen. Merkel wird
das nicht mehr ausbaden müssen - nachfolgende Generationen vielleicht
schon.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

573721

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Kommentar / Wendepunkt beim Asyl = Von Eva Quadbeck Düsseldorf (ots) - Mit der neuen Prognose der Bundesregierung zu den Flüchtlingszahlen steht Deutschland am Wendepunkt seiner Asylpolitik. Einfach nur die Asyl-Verfahren zu beschleunigen, reicht nicht aus, die steigende Zahl unerledigter Anträge zu bremsen. Auch was die Stimmung angeht, steht Deutschland an einem kritischen Punkt. Viele Kommunen sind überfordert, die ehrenamtlichen Helfer erschöpft. Wenn die Bevölkerung den Eindruck gewinnt, dass die Regierung die Koordination der Flüchtlinge nicht in den Griff bekommt, kann aus den mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Griechenland muss sein System ändern = Von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Die Solidarität in Europa funktioniert noch. Mit großer Mehrheit hilft der Bundestag den Griechen abermals mit vielen Milliarden aus. Daran ändern auch die Nein-Sager in Union und Linkspartei nichts. Eine richtige Entscheidung, denn ein Grexit, das Ausscheiden Athens aus dem Euro, wie ihn die CDU-Abweichler wünschen, kommt die deutschen Steuerzahler am Ende teurer als ein drittes Hilfspaket. Jetzt müssen allerdings die Griechen stärker mitspielen als bisher und ihr Land endlich wettbewerbsfähig machen. Und deshalb mehr...

  • Weser-Kurier: Kommentar von Hauke Hirsinger über Freiluftpartys Bremen (ots) - Milliarden-Schulden, Unterbringung von Flüchtlingen und Lehrermangel: Die Liste der großen Probleme, mit denen das kleinste Bundesland zu kämpfen hat, ist noch sehr viel länger. Angesichts dieser Herausforderungen verwundert es durchaus, dass es Behörden und Politik schaffen, aus dem sprichwörtlichen Nichts weitere Probleme zu produzieren. An jungen Menschen, die friedlich miteinander unter freiem Himmel feiern wollen, dürften sich eigentlich kaum die Geister scheiden - vorausgesetzt, die Feiernden räumen hinter sich mehr...

  • Weser-Kurier: Kommentar von Peter Mlodoch über die neue Elbfähre Bremen (ots) - Sage noch einer, Infrastrukturprojekte bräuchten ewig. Schneller als von vielen Beteiligten selbst erwartet, geht die neue Fährverbindung über die Elbe von Cuxhaven nach Brunsbüttel an den Start. Das ist sicher auch einigen glücklichen Fügungen zu verdanken. Es ist aber vor allem das Ergebnis des großen Engagements aller Akteure, des gut aufeinander abgestimmten Zusammenspiels von großer und kleiner Politik und mutigen Unternehmern sowie nicht zuletzt auch der breiten Zustimmung in der Bevölkerung. Das alles sind mehr...

  • Weser-Kurier: Leitartikel von Hans-Ulrich Brandt über Griechenland-Hilfe Bremen (ots) - Athen, die Dritte! Das nächste Hilfspaket für Griechenland ist im Kasten, und alles ist ziemlich so gelaufen, wie es sich die Regisseurin und ihr wichtigster Helfer am Set vorgestellt haben. Angela Merkel und Volker Kauder können zufrieden sein: Kein Imageschaden für die Bundeskanzlerin, kein Autoritätsdebakel für den Chef der Unionsfraktion. Ihr Masterplan hat mal wieder funktioniert. Nun gut, sechs Abweichler mehr innerhalb der CDU/CSU, aber auch damit können beide prima leben. Doch helfen Griechenland die neuen Milliarden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht