(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Katia Meyer-Tien zur Bahn-Schlichtung

Geschrieben am 01-07-2015

Regensburg (ots) - Am Ende ist der Tarifkonflikt bei der Bahn
wieder das, was er mal war: Ein Tarifkonflikt. Im vermeintlichen
Kampf Davids gegen Goliath haben die beiden Schlichter Bodo Ramelow
und Matthias Platzeck die Steinschleuder einkassiert, die
Kontrahenten an einen Tisch gesetzt und ein Ergebnis erzielt, mit dem
beide Seiten leben können. Dass der Konflikt überhaupt so eskalieren
konnte, liegt an drei Faktoren: Da ist zum einen die Bedeutung der
Bahn als öffentliches Verkehrsmittel. Dadurch wurde der Arbeitskampf
der GDL, anders als beispielsweise die Streiks in einem
Industriebetrieb, vom ersten Tag an für Millionen Menschen spürbar.
Dem GDL-Chef Claus Weselsky war damit eine enorme Öffentlichkeit
gewiss, die er allerdings, Punkt zwei, nur begrenzt für sich zu
nutzen wusste. Der sperrige Sachse sah und sieht sich einzig und
allein seinen Gewerkschaftsmitgliedern und deren Interessen
verpflichtet. Dass in seinem Verständnis zur Wahrung dieser
Interessen unabdingbar die Ausweitung seiner Tarifabschlusskompetenz
auch auf andere Berufsgruppen jenseits der Lokführer gehört, legten
ihm viele als Machthunger aus. Er wiederum sah sich einer
Hetzkampagne ausgesetzt: zum einen befördert durch die Presse, die
ihn schon mal als "größenbahnsinnig" bezeichnete, zum anderen durch
Bahn und Bundesregierung. Das geplante Tarifeinheitsgesetz empfindet
er als direkten Angriff auf sich und seine Gewerkschaft. Das
wiederum, Punkt drei, gab dem Konflikt eine gesamtgesellschaftliche
Dimension. Die Diskussionen im Bahnkonflikt drehten sich bald nicht
mehr um die Arbeitsbedingungen der Lokführer und ihrer Kollegen im
Bahnbetrieb, sondern um die Grundsätze der Arbeitnehmermitbestimmung
im Allgemeinen. Welche Einflussmöglichkeiten sollen kleine und
kleinste Berufsgewerkschaften auf Tarifverhandlungen in Zukunft noch
haben? Nach einem knappen Jahr mit neun Bahnstreiks, Millionen
entnervten Bahnkunden und hunderten Millionen Euro Schaden für
Industrie und Wirtschaft nun also eine Einigung zwischen den
Konfliktparteien. In einem "umfassenden Programm zur Reduzierung der
Belastung von Lokführern" stellt die Bahn 300 zusätzliche Zugführer
ein, um so den Abbau von Überstunden zu ermöglichen und die
Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dieses Ergebnis hätte Weselsky als
Vertreter der Lokführer ohnehin aushandeln können. Aus seiner
Perspektive das wohl wichtigste Resultat ist die Zusage der Bahn, bis
2020 weiterhin mit der GDL nicht nur über die Tarifbedingungen der
Lockführer, sondern auch des von ihr vertretenen Zugpersonals zu
verhandeln - und das unabhängig vom Inkrafttreten des
Tarifeinheitsgesetzes. Damit bekommt die GDL ihre Tarifverträge für
die einzelnen Berufsgruppen. Diese weichen aber zumindest in diesem
Jahr nicht wesentlich von den bereits mit der EVG getroffenen
Vereinbarungen ab. So hat auch die Bahn das erreicht, was sie wollte:
Betriebseinheit, keine unterschiedlichen Vergütungen derselben
Berufsgruppen innerhalb eines Betriebes. Angesichts der Geschichte
dieses Konfliktes das wohl erstaunlichste Ergebnis ist aber nicht
nur, dass es den Kontrahenten überhaupt gelungen ist, zu einer
Einigung zu kommen. Vor allem auch die Zusatzvereinbarung ist
bemerkenswert. Sie sieht bis 2020 ein verbindliches
Schlichtungsverfahren vor, um eine ähnliche Eskalation zu vermeiden.
Die Zusatzvereinbarung weist den Weg zurück in ein System der
Sozialpartnerschaft. Diese Partnerschaft war lange Zeit einer der
wesentlichen Bausteine des wirtschaftlichen Erfolges der
Bundesrepublik. Denn sie garantiert im Idealfall - und anders als in
anderen Ländern - dass die Gewerkschaften die Arbeitnehmerinteressen
im Dialog mit den Arbeitgebern vertreten. Und den Streik nur als das
allerletzte Mittel im Arbeitskampf sehen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

570516

weitere Artikel:
  • Börsen-Zeitung: Flaute wegen Griechenland, Kommentar zum deutschen IPO-Markt von Dieter Kuckelkorn Frankfurt (ots) - Da sage noch einer, die sich immer weiter verschärfende Griechenland-Krise habe kaum Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Zumindest was den deutschen Markt für Initial Public Offerings (IPO) betrifft, sieht es schlecht aus: Es droht zumindest kurzfristig ein echter Kahlschlag. Reihenweise sagen derzeit Börsenkandidaten ihren Sprung aufs Parkett ab. Zu diesen zählen der Modehändler CBR, der Berliner Wohnimmobilien-Investor Ado Properties und die Deutsche Pfandbriefbank. Chorus Clean Energy hat die Erstnotierung von mehr...

  • Baxalta startet als zukunftsweisendes globales Biopharmaunternehmen und widmet sich Patienten mit seltenen und bisher wenig beachteten Krankheiten Deerfield, Ill. (ots) - - Baxalta setzt bei seinen Innovationen auf spezifische Therapien, um seine Führungsposition im Bereich Hämatologie und Immunologie auszubauen und den Geschäftsbereich Onkologie zu erweitern - Auf Basis von 6 Milliarden US-Dollar an Jahreseinnahmen sollen geplante neue Produkte und Indikationen bis 2020 jährlich einen Zuwachs von 2,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaften - Das erfahrene Management-Team verfolgt eine patientenorientierte Strategie, um neuartige Therapien voranzutreiben mehr...

  • "empowering people. Award 2015" gestartet: Siemens Stiftung sucht technische Lösungen zur Verbesserung der Grundversorgung in Entwicklungsregionen (FOTO) München (ots) - In München fiel heute der Startschuss für den "empowering people. Award 2015". Via Webstreaming nahmen Interessierte weltweit live an der Eröffnungsveranstaltung teil. Ab sofort können Erfinder und Entwicklungsteams ihre Produkte und Lösungen einreichen - in acht verschiedenen Kategorien, die alle Bereiche der Grundversorgung in Entwicklungsregionen abdecken. Neben dem technischen Innovationsgrad der Einreichungen zählt, dass sie sich auf Basis eines Geschäftsmodells einsetzen lassen und damit den Menschen vor mehr...

  • Landessparkasse zu Oldenburg in der Kritik - "Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen bei Darlehensverträgen" Hamburg (ots) - Bei zahlreichen Darlehensverträgen der Landessparkasse zu Oldenburg zur Finanzierung einer Immobilie ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und damit unwirksam. Zu dieser Feststellung kommt Fachanwalt Peter Hahn nach Überprüfung zahlreicher Darlehensverträge dieses Instituts. Deshalb haben jetzt einige Kunden der Landessparkasse zu Oldenburg mit HAHN Rechtsanwälte Kontakt aufgenommen. Sie wollen ihre Immobiliendarlehensverträge widerrufen. Und das aus gutem Grund. Denn in zahlreichen Darlehensverträgen der Landessparkasse mehr...

  • Shire startet Filmwettbewerb "Gaucher im Rampenlicht" und ruft zu Einsendungen von Videos auf, die das Leben mit Morbus Gaucher beschreiben Lexington, Massachusetts (ots/PRNewswire) - - Der Wettbewerb soll von Morbus Gaucher betroffene Menschen zusammenbringen und das Bewusstsein für diese seltene Krankheit steigern - Morbus Gaucher, auch Gaucher-Syndrom, ist eine seltene Erbkrankheit, die etwa eine Person von 50.000 betrifft[1] und am häufigsten in der aschkenasisch-jüdischen Bevölkerung auftritt Shire plc hat heute den Start des Filmwettbewerbs Gaucher im Rampenlicht bekannt gegeben, mit dem alle vom Gaucher-Syndrom Betroffenen ermutigt werden sollen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht