(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Anlass zur Sorge Bundestag verabschiedet Tarifeinheitsgesetz

Geschrieben am 22-05-2015

Cottbus (ots) - Auch wenn der Gedanke nahe liegen mag: Das jetzt
vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Tarifeinheit ist keine
Reaktion auf den aktuellen gewerkschaftlichen Machtkampf bei der
Bahn. So schnell kann selbst eine Große Koalition nicht schießen. Die
Vorlage resultiert vielmehr aus der Tatsache, dass das
Bundesarbeitsgericht bereits vor fünf Jahren zu einer neuen
Rechtsprechung kam. Und die gibt durchaus Anlass zur Sorge. Bis 2010
galt gewissermaßen als ungeschriebenes Gesetz: ein Betrieb, ein
Tarifvertrag. Und niemand kann behaupten, dass Deutschland damit
schlecht gefahren wäre. Die Republik steht auch deshalb
wirtschaftlich so stark da, weil die Tarifpartnerschaft funktioniert,
weil Gewerkschaften in aller Regel verantwortungsvoll handeln. Ein
Gegenbeispiel ist Großbritannien. Die Insel hat eine
Deindustrialisierung durchlebt, an der auch dortige Gewerkschaften
mit dem überzogenen Gebrauch ihrer Streikwaffe nicht unschuldig
waren. In Deutschland gibt es zumindest Anzeichen dafür, dass sich
kleine Spartengewerkschaften einiges davon abgeschaut haben. Wenn
Cockpit zum Arbeitskampf bläst, dann bleibt das halbe Land am Boden.
Wenn die GDL dazu aufruft, dann dreht sich kaum noch ein Rad auf der
Schiene. Minderheiten werden so zu einer Macht, die Mehrheiten
dominieren, um sie für eigensinnige Ziele zu missbrauchen. Der
Bundestag will solche Gewerkschaften nun an die Leine legen. Und die
meisten Bürger dürften das genauso wollen. Die Frage ist allerdings,
ob das Gesetz zur Tarifeinheit dafür ein taugliches Mittel sein kann.
Hier sind Zweifel angebracht. Entgegen vielen Darstellungen berührt
die Vorlage zwar nicht in erster Linie das Streikrecht. Deshalb
dürfte die Zahl der Arbeitskämpfe auch kaum sinken. Bei Piloten oder
Klinikärzten ohnehin nicht, denn hier gibt es keine rivalisierenden
Gewerkschaften. Trotzdem ist die Konstruktion verfassungsrechtlich
heikel, weil am Ende ein Tarifvertrag durch einen anderen verdrängt
werden kann. Eine Gewerkschaft aber, die nicht tariffähig ist, kann
sich auch gleich selbst auflösen. Handelt es sich doch um ihr
Brot-und-Butter-Geschäft. Um blinder Gewerkschaftskonkurrenz zulasten
Dritter etwas entgegenzusetzen, gibt es auch noch andere Wege. So
könnte ein Schlichtungsverfahren zur Pflicht werden, um einen
Interessenausgleich zwischen konkurrierenden Arbeitnehmervertretungen
herbeizuführen. In mehreren europäischen Ländern gilt dieses Prinzip
bereits für wichtige Schlüsselbereiche wie Verkehr oder Gesundheit.
Auch eine Vorschrift, Streiks länger anzukündigen, würde den
schlechten Beigeschmack der Willkür bei manchen Tarifkonflikten
mildern. Leider findet sich nichts dergleichen im
Tarifeinheitsgesetz. Aber vielleicht muss die Regierung ja noch
nachbessern. Es wäre nicht das erste Gesetz, das Karlsruhe auf
Wiedervorlage nach Berlin zurückschickt.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

567770

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Koalition/Tarifeinheit Stuttgart (ots) - Die große Koalition geht mit dem Gesetz sicherlich das Risiko ein, dass das Verfassungsgericht das Gesetz eines Tages kassieren könnte. Trotz der Unwägbarkeiten ist der Vorstoß der Regierung aber richtig. Seit 2010 wird in Deutschland über ein Gesetz zur Tarifeinheit diskutiert. Die Kritiker haben es geschafft, Stimmung gegen die Regelungen zu machen. Dabei sind die berechtigten Anliegen der Befürworter in den Hintergrund getreten. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz stellt trotz juristischer Unsicherheiten den mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Syrien/IS/Palmyra Stuttgart (ots) - Die Gotteskrieger vom IS verdanken ihren Erfolg nicht so sehr der unbezwingbaren eigenen Stärke, sondern der eklatanten Schwäche ihrer Gegner. Im Irak haben Rambopolitik und interreligiöse Konflikte das gesamte Staatsgebäude zerfressen. In Syrien ist die Armee nach vier Jahren Bürgerkrieg im Namen von Baschar al-Assad so demoralisiert, dass die Tage des Regimes inzwischen gezählt scheinen. Die internationale Welt dagegen schaut der orientalischen Tragödie zu. Niemand will sich in dieses Gemetzel am Boden mit eigenen mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur AfD Bielefeld (ots) - Was auf die Linkspartei zutrifft, gilt auch für die AfD: Die »Alternative für Deutschland« ist gespalten in West und Ost. Während in den alten Bundesländern eher liberal-konservative Europakritiker wie Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel am Werk sind, hat sich die AfD in der Ex-DDR mit Frauke Petry und Alexander Gauland zu einer Art »Pegida«-Partei entwickelt. Diesen Spagat, im Westen mit der FDP zu konkurrieren und im Osten mit Linken und NPD, hält die populistische Bewegung nicht aus. Beim Bundesparteitag in mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu BND-Chef Schindler Bielefeld (ots) - Er habe als Schüler gelernt, sagte BND-Präsident Gerhard Schindler jüngst dieser Zeitung, dass die USA die größte Demokratie der Welt seien. Und das sei heute auch noch so. Die Worte wirken befremdlich aus dem Mund des FDP-Mannes, auf dessen Werteskala die Freiheitsrechte der Menschen doch eigentlich ganz oben stehen müssten. Jahrelange willkürliche Inhaftierungen in Guantanamo, Folter, abertausendfaches heimliches Öffnen und Lesen von Briefen in den USA, rassistische Polizeigewalt gegen Schwarze mehr...

  • RNZ: Gut gemeint - Kommentar zum Tarifeinheitsgesetz Heidelberg (ots) - Das Ziel ist mal wieder ein hehres: Die Koalition will verhindern, dass immer neue, immer längere Streiks das Land lähmen, der auf Just-in-time-Logistik ausgerichteten Wirtschaft Schaden zufügen und die Deutschen als genervte Pendler oder Patienten sich die Beine in den Bauch stehen. Gut gemeint ist nur eben nicht gut gemacht. Denn der gewählte Weg ist im Ansatz falsch und in den Folgen zumindest widersprüchlich. Es stärkt eben nicht den Betriebsfrieden, wenn Gewerkschaften aggressiv um Mitglieder werben müssen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht