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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zur Geheimdienst-Affäre

Geschrieben am 07-05-2015

Regensburg (ots) - Geheimdienste machen geheime Dinge. Das ist
ihre Aufgabe. Ein Recht auf Information der Öffentlichkeit gibt es
nicht. So gerne wir wissen möchten, was da eigentlich genau gemacht
wird in Bad Aibling, wo der Bundesnachrichtendienst zusammen mit
NSA-Agenten Internetkommunikation und Telefongespräche abfängt:
Niemand hat die Pflicht, die Bürger zu informieren. Aber zumindest
irgendjemand sollte wissen, was dort läuft. Vor allem sollte dieser
irgendjemand auch reagieren, wann Grenzen überschritten und Rechte
verletzt werden. Dieser irgendjemand ist, per Aufgabenbeschreibung,
der Kanzleramtsminister. Und auch, wenn der Inhaber dieses Postens
bequem als Watschenmann herhalten kann, wenn in Sachen Spionage etwas
schief läuft: In letzter Instanz ist derjenige, der die Verantwortung
übernehmen muss, der Bundeskanzler oder eben die Bundeskanzlerin.
Angela Merkel ist Königin des Aussitzens. Das hat immer funktioniert,
weil irgendjemands Stuhl schon rechtzeitig wackelte. Nur ist in der
BND-NSA-Affäre etwas anders. Diesmal steht mit Sigmar Gabriel schon
ein Königinnenmörder bereit. Dass in der BND-NSA-Affäre Grenzen
überschritten wurden, steht fest. Die offene Fragen lauten: Was
wusste das Kanzleramt? Ignorierte man dort die Probleme? Und: Wusste
die Kanzlerin davon? Egal, wie man diese Fragen beantwortet: Am Ende
ist es immer ein Skandal. Dass es Pannen gab, hat die Bundesregierung
zugegeben. Was sie nicht sagt ist, ob man die Tatsache, dass der BND
im Auftrag der NSA gegen Verbündete spionierte, ignorierte oder
billigend in Kauf nahm. Nichts spricht derzeit gegen die Vermutung,
dass Deutschland sich als willfähriger Handlanger der
US-Geheimdienste zur Verfügung stellte, um im Gegenzug Zugang zu
Informationen über Bedrohungen Deutscher im In- und Ausland zu
erhalten. Das klingt legitim. Aber ist es das auch? SPD-Chef und
Vizekanzler Sigmar Gabriel hat Recht gehabt, als er diese Woche den
Druck auf Angela Merkel erhöhte, endlich zu sagen, was Sache ist.
Dass er damit gleichzeitig die Koalition gefährdet hat, liegt in
seinem Interesse, will er doch 2017 gegen Merkel antreten. Gleichwohl
ist es für ihn ein gefährliches Spiel: Mit demheutigen Außenminister
Frank-Walter Steinmeier stellte die SPD ebenfalls einen
Kanzleramtsminister, in dessen Zeit die Grundlagen der Kooperation
zwischen NSA und BND gelegt wurden. Allerdings geht das, was sich
derzeit auf der politischen Bühne in Berlin abspielt, über partei-
und polittaktische Überlegungen hinaus. Auf der Kippe steht nicht
alleine die Koalition, die massiven Schaden dadurch nehmen wird, dass
sich SPD und Union gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben
wollen. Es steht das Vertrauen in diese Regierung auf der Kippe,
vielleicht sogar in den Staat als solches. Die Affäre ist Wasser auf
die Mühlen all derer, die hinter allem politischen Handeln derzeit
eine US-gesteuerte Weltverschwörung sehen. Wenn die Skepsis in das
Funktionieren unserer Demokratie, die sich in allgemeiner
Politikverdrossenheit, schlechter Wahlbeteiligung, im Erstarken
rechtspopulistischer Parteien und im Auftreten fundamental-verirrter
Bewegungen wie Pegida äußert, nicht weiter wachsen soll, ist
Offenheit nötig. Merkel hat in ihrem Amtseid geschworen, Schaden vom
deutschen Volk abzuwenden. Es stimmt: Wir können alle bislang jede
Nacht beruhigt schlafen gehen. Die Frage ist, ob der Preis für diese
Sicherheit am Ende nicht zu hoch gewesen ist. Die Kanzlerin muss
diese Frage endlich beantworten.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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