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Gemeinsamer Brief der Konzernbetriebsräte an Minister Gabriel

Geschrieben am 02-04-2015

Essen (ots) - Sehr geehrter Herr Bundesminister,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 31. März 2015, mit dem Sie in
den Dialog mit uns Betriebsräten der Energieversorger in Deutschland
treten. Mit diesem Brief möchten wir Ihr Dialogangebot nutzen, denn
bisher hatten Sie persönlich in dieser Sache nicht mit uns
gesprochen.

Wir Betriebsräte und unsere Gewerkschaften unterstützen die
Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland.
Auch wir wollen eine nachhaltige, sichere und bezahlbare
Energieversorgung für uns und unser Land. Dabei ist uns klar, dass
der dafür nötige tiefgreifende Umbau der Energielandschaft unsere
Unternehmen vor enorme Herausforderungen stellen muss. Wir erleben
das jeden Tag - am Arbeitsplatz bei uns selbst und bei unseren
Kollegen.

Unsere Unternehmen haben die Herausforderung "Energiewende" als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe angenommen und arbeiten seit Jahren
hart daran, diese zu meistern. Wir Betriebsräte haben
Kostensenkungsprogrammen und Umstrukturierungen zugestimmt und
unterstützen diese im Sinne unseres gemeinsamen Ziels: die
Wirtschaftlichkeit unserer Kraftwerke zu erhalten und zu verbessern
und damit Arbeitsplätze für tausende Kolleginnen und Kollegen zu
sichern.

Die Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels verlangen unseren
Kolleginnen und Kollegen bereits jetzt enorm viel ab. Die veränderten
Marktbedingungen und Einsatzzeiten unserer Kraftwerke, die mit dem
Ausbau der erneuerbaren Energien einhergehen, bedeuten für die
Kolleginnen und Kollegen vor Ort ein hohes Maß an
Veränderungsbereitschaft - unabhängig von ihrer Position, ihrer
Ausbildung oder ihrem Alters.

Sie schreiben, Sie möchten den Strukturwandel ermöglichen. Wir
können mit Sicherheit sagen: Wir stecken bereits mitten drin! Sie
wissen selbst, dass viele Kraftwerke bereits stillgelegt oder zur
Stilllegung angemeldet worden sind - ohne größeres Aufhebens und mit
einem hohen Maß an Verständnis und Mitarbeit in der Belegschaft. Aber
unsere Aufgabe war, ist und bleibt, dass der Strukturwandel weiterhin
so sozialverträglich wie möglich vonstatten geht. Wir sind von den
Kolleginnen und Kollegen als deren Interessensvertreter gewählt und
wir haben die Pflicht, für unsere Kolleginnen und Kollegen und deren
Arbeitsplätze zu kämpfen!

Ihre Pläne für ein nationales Klimaschutzinstrument, von denen wir
aus den Medien erfahren haben, ermöglichen gerade keinen
sozialverträglichen Strukturwandel mehr. Hier geht es nicht um eine
schrittweise Veränderung - die wir alle bereits seit Jahren
mitgestalten -, sondern hier geht es um Strukturbrüche. Sie sagen,
Sie wollen genau diese Brüche vermeiden. Wir müssen dazu sagen: Das
passt nicht zu den in Ihrem Papier dargelegten Maßnahmen!

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir haben das Gefühl, dass
hinter diesem Konzept weit mehr steckt, als Sie oder Ihr Ministerium
gegenwärtig behaupten. Warum glauben wir das? Bei einer Umsetzung des
nationalen Klimaschutzinstruments müssten viele weitere Kraftwerke
sofort stillgelegt werden, denn Strafabgaben oder die deutliche
Reduzierung der Benutzungsstunden überleben diese Anlagen
wirtschaftlich einfach nicht.

Doch damit nicht genug: Die den Kraftwerken vorgelagerten
Betriebe, wie etwa Tagebaue, wären so stark eingeschränkt, dass auch
hier ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich wäre. Sofortige
Schließungen wären die Folge.

Diesen Prozessen nachgelagert sind Einzelhandel, Dienstleistungen
und Zulieferunternehmen in den betroffenen Regionen, die dadurch
ebenfalls betroffen wären. Und nicht zuletzt wären auch die
Beschäftigten in der stromintensiven Industrie massiv tangiert, für
die die höheren Strompreise eine Abwanderung ihrer Unternehmen ins
Ausland bedeuten.

Das ist alles andere als eine "win-win-Situation", wie es auf
Neudeutsch heißt! In Deutschland gibt es dabei nur Verlierer und
diese Verlierer sind insbesondere unsere Kolleginnen und Kollegen!
Zudem ist mehr als zweifelhaft, ob angesichts des europäischen
Emissionshandels mit Ihrem nationalen Alleingang tatsächlich etwas
für den Klimaschutz gewonnen würde, so wie behauptet.

Sie schreiben, Sie hätten bereits im November letzten Jahres eine
gemeinsame Lösung mit den Unternehmen und Verbänden erarbeiten
wollen. Seit vielen Monaten spricht sich unsere Branche eindeutig für
ein Marktdesign aus, das eine sichere und bezahlbare
Energieversorgung in Deutschland möglich macht. Sie möchten diesem
Vorschlag - wie wir hören - nicht folgen. Aber auch die von Ihnen
bevorzugte Wiederbelebung des Energy-Only-Marktes löst die Probleme
nicht, weder kurz- noch längerfristig. Mit diesem Vorgehen wird das
Strukturproblem mangelnder Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken nicht
behoben. Fraglich ist darüber hinaus, ob rein politische Bekenntnisse
zur Erlaubnis von hohen Preisspitzen ausreichen, das Vertrauen in den
Markt wiederherzustellen und das Investorendilemma zu beseitigen. Um
Kollateralschäden zu vermeiden, bedarf es jetzt vor allem kurzfristig
einer Reform der Regelungen für jene Kraftwerke, deren Stilllegung
aus Gründen der Versorgungssicherheit untersagt wird und die dem
politischen Vernehmen nach für die Energiewende auch künftig dringend
gebraucht werden.

In Sachen Klimaschutz ist die Branche schon immer gesprächsbereit
gewesen und hat deutlich gemacht, dass wir die Initiativen zur
Stärkung des europäischen Emissionshandels unterstützen.

Wenn es Ihnen, wie Sie sagen, darum geht, gemeinsam Lösungen zu
erarbeiten, dann kann eine solche Zusammenarbeit aber nicht darin
bestehen, dass die Vorschläge und Vorstellungen Ihres Ministeriums
von unserer Branche klaglos akzeptiert und hingenommen werden. Das
wurde auch bei dem von Ihnen erwähnten Gespräch über Marktdesign,
Versorgungssicherheit und Klimaschutz deutlich. Betriebsräte,
Gewerkschaften und Unternehmen lassen sich an dieser Stelle nicht
auseinanderdividieren. Sie werden verstehen, dass die Unterstützung
der Energiewende durch uns Arbeitnehmervertreter dort endet, wo sie
einseitig auf dem Rücken unserer Kolleginnen und Kollegen ausgetragen
wird! Dass wir Ihr nationales Klimaschutzinstrument, das einseitig
nur unsere Unternehmen und Arbeitsplätze trifft, im Interesse unserer
Kolleginnen und Kollegen ablehnen müssen, ist klar! Die Ängste und
Sorgen der Belegschaft sind groß. Wir haben nicht umsonst zu
Demonstrationen aufgerufen und wir werden auch weiter mit Nachdruck
darum kämpfen, dass solche Vorschläge vom Tisch kommen. Erst dann ist
die Möglichkeit gegeben, gemeinsam und konstruktiv Lösungen zu
suchen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, den Medien haben wir entnommen,
dass Sie offen für die Diskussion auch anderer Modelle zur Erreichung
der Klimaschutzziele sind. Das finden wir gut und sind gespannt auf
die weiteren Diskussionen, die Sie ja auch mit unseren Gewerkschaften
führen wollen. Dieser Dialog ist wichtig und dafür stehen wir als
Betriebsräte ebenso wie die Gewerkschaften jederzeit zur Verfügung.



Pressekontakt:
Udo Dohmen, +49 162 2848159


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