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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steinbrück

Geschrieben am 08-03-2015

Bielefeld (ots) - Späten Politiker-Bekenntnissen wohnt nicht
selten der Hang zur Abrechnung inne. Das ist bei Peer Steinbrück ein
wenig anders. Die zwar nicht neue Erkenntnis, seine Kanzlerkandidatur
sei ein Fehler gewesen, stellt immerhin ein bemerkenswertes Maß an
Selbstkritik unter Beweis. Zugleich hält der Buch-Autor selbstbewusst
fest: Auch die SPD hat ihren Anteil am vermurksten Wahlkampf 2013.
Ganz klar: Da ist jemand auch darum bemüht, das eigene Ansehen
aufzupolieren. Doch das ist nicht alles. Denn wenn das Debakel nur
Steinbrück beschädigt hätte, müsste es die SPD nicht sonderlich
interessieren. Doch so rosig ist die Lage der Partei ja nicht.
Steinbrücks Kritik lässt sich nicht einfach als Nachtreterei abtun.
Im Gegenteil: Hier geht es nicht um bloße Vergangenheitsbewältigung,
sondern um eine brandaktuelle Debatte in der SPD. Wohin muss die
Reise gehen, um endlich aus dem 25-Prozent-Turm rauszukommen, in den
die Bundespartei seit Jahr und Tag eingesperrt scheint? Genau auf
diese Frage sucht Sigmar Gabriel eine Antwort. Noch tut er das nur
als Parteichef. Doch so wie die Sache liegt, wird er in spätestens
zwei Jahren auch als Kanzlerkandidat dazu vernommen werden. Schreiben
sich nämlich die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse fort, wird Gabriel
einen Rivalen im Rennen um das Amt des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten
kaum fürchten müssen. Das freilich läge dann weniger an seiner
Strahlkraft als an der Aussichtslosigkeit des Unterfangens, so es
denn, wie zu erwarten, erneut gegen die Überkanzlerin Angela Merkel
ginge. Strategisch hat Gabriel längst seine Schlüsse aus der
krachenden Steinbrück-Pleite gezogen. Agiert er doch als
Wirtschaftsminister weit moderater, als es insbesondere dem linken
Flügel der SPD recht ist. Energiewende, TTIP, Steuerpolitik - der
Chef eckt mit seinem klar auf die politische Mitte ausgerichteten
Kurs andauernd in der eigenen Partei an. Wie zum Beweis unterstreicht
sein Besuch in Saudi-Arabien, in welchem Spannungsfeld zwischen
ökonomischen und geopolitischen Interessen auf der einen Seite und
SPD-Wünschen andererseits sich der Vizekanzler bewegt. Dabei hat
Gabriel stets viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen - egal,
was er sagt und wie er auch handelt. Das ist das Dilemma der SPD, die
sich links definiert, aber weiß, dass sie ohne die Mitte für den
großen Sieg nicht in Frage kommt. Erst recht, wenn sie ein rot-grünes
oder gar ein rot-rot-grünes Bündnis anstrebt, müsste sie dann doch
gerade die Stimme der wirtschaftspolitischen Vernunft sein. Das
bestätigt auch eine am Wochenende bekanntgewordene Studie, die der
SPD ein »gravierendes Imageproblem« attestiert. Daher rührte auch der
zentrale Fehler bei der Nominierung Steinbrücks. Ein Kandidat der
Mitte sollte ein linkes Programm postulieren. Das konnte nicht gut
gehen. Wenn es die SPD also 2017 ernsthaft mit Sigmar Gabriel
versuchen will, muss sie sich auf seinen Kurs einlassen. Will sie es
nicht, ist er der falsche Kandidat.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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