(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Keine Rosen für Athen - Der Bundestag billigt die Finanzhilfen - mit Bauchgrimmen. Aber die Alternative wäre schlechter. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 27-02-2015

Regensburg (ots) - Die Deutschen und vor allem die Bayern
verbindet mehr mit Griechenland, als mancher meinen mag. Nicht nur
aus historischen Gründen. So war Griechenlands erster König Otto I.
ein importierter Wittelsbacher. Der Sohn des späteren bayerischen
Königs Ludwig I. wurde als 16-Jähriger nach den Wirren des
griechischen Unabhängigkeitskrieges auf den Thron gesetzt, auf dem er
30 Jahre zubrachte. Und bis heute ist Griechenland für viele Deutsche
ein Land zum Träumen und Reisen, nicht erst seit Nana Mouskouri
musikalisch "Weiße Rosen aus Athen" nach Deutschland brachte oder Udo
Jügens "Griechischen Wein" zum Blut der Erde erklärte. Der Ohrwurm
über griechische Gastarbeiter wurde in Deutschland ein Hit und in
Griechenland ein Volkslied - und kurbelte den Tourismus gewaltig an.
Heute, nach Jahren des Rückgangs, fahren Deutsche wieder in das Land,
das freilich unter einer seiner tiefsten wirtschaftlichen und
sozialen Krisen leidet. Aber: Ob deutsche Urlauber in Hellas in den
nächsten Jahren noch mit Euro zahlen können oder wieder mit der
griechischen Drachme, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der
Bundestag hat gestern mit gewaltigem Bauchgrimmen der Verlängerung
des Hilfspakets für Athen zugestimmt. Das bedeutet jedoch nicht mehr
und nicht weniger, als dass etwas mehr Zeit erkauft wird. Ein
wirkliches Rezept gegen die Malaise Athens ist allerdings noch nicht
gefunden. Es gibt noch einmal eine viermonatige Bedenk- und
Verhandlungszeit, in der Athen und seine europäischen Partner über
die weitere Zukunft Griechenlands entscheiden können. Die
Gefechtslage ist dabei so klar wie brutal: Kann Athen seine
Euro-Verbündeten mit wirklichen Reformen davon überzeugen, dass sich
weitere Hilfen lohnen und zu einer wirtschaftlichen Gesundung des
Landes führen, dann wäre ein drittes Hilfspaket denkbar. Kann die
neue Links-Rechts-Regierung von Alexis Tsipras jedoch das verlorene
Vertrauen in der EU nicht wieder herstellen, dann läuft alles auf
einen Ausstieg des Landes aus dem Euro-Club hinaus. Der Grexit ist
trotz aller Beteuerungen von Merkel, Schäuble und Co. inzwischen eine
reale Alternative. Athen könnte mit einer kräftig abgewerteten
Drachme wieder wettwerbsfähig werden. Der Nachbar Türkei hat
vorgemacht, wie so etwas gehen kann. Doch es glaubt niemand, dass der
Ausstieg aus dem Euro nicht ohne bittere Nebenwirkungen und noch
tiefere gesellschaftliche Verwerfungen zu haben ist als jetzt schon.
Die Griechen verlören gewaltig an Vermögen, sofern sie überhaupt noch
welches besitzen. Die Eliten haben ohnehin schon Milliarden ins
Ausland transferiert, wovon der griechische Fiskus keinen Cent
gesehen hat. Doch was für Griechenland eine Katastrophe wäre, würde
auch Deutschland treffen. Die Hilfskredite aus Berlin müssten dann
wohl endgültig abgeschrieben werden. Doch wer Griechenland jetzt in
den Grexit schickt, handelt leichtfertig, vielleicht sogar
fahrlässig. Neben den katastrophalen Folgen für das Land am
Mittelmeer selbst, würde die Europäische Union damit auch das Signal
aussenden: Wenn es wirklich schwierig wird, werfen wir unliebsame
Mitglieder einfach aus dem Währungsclub raus. Keine Frage, dass
Griechenland - genauer: seine korrupte politische Elite - die Misere
selbst verschuldet hat und sich nun mit eigener Anstrengung aus dem
Schlamassel befreien muss. Doch Europa könnte in diesem Fall zeigen,
dass Solidarität und gemeinsame Werte, auf dem alten Kontinent nicht
bloß leere Worthülsen sind.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

561917

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: zu Athen Kommentar von Martin Ferber Karlsruhe (ots) - In Wahrheit hat sich Europa lediglich wieder einmal ein bisschen Zeit erkauft. In vier Monaten beginnt das Spiel von vorne. Dann aber wird es ernst, weil es nicht um mehr Zeit, sondern um mehr Geld geht, viel mehr Geld. Von mindestens 20 Milliarden Euro ist die Rede. Im Mai, spätestens im Juni geht es um alles oder nichts. Fraglich, ob Angela Merkel und Wolfgang Schäuble noch einmal eine Mehrheit in ihren eigenen Reihen zu Stande bringen. Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 mehr...

  • Rheinische Post: Ärgernis Lehrer-Streik Düsseldorf (ots) - Früher hieß es: Die Länder werden bestreikt - und keiner merkt es. Das Statistische Landesamt braucht man eben nicht täglich. Doch nun treten immer öfter Lehrer in den Ausstand. Daran sind die Länder mit schuld: Wenn sie Lehrer nicht verbeamten, sondern nur als Angestellte einstellen, ist es kein Wunder, dass diese auch ihr Streikrecht nutzen. Der Arbeitskampf nächste Woche wird die Schulen nicht flächendeckend lahmlegen. Und doch ist der Streik ein Ärgernis, weil er die Schwachen trifft. So wie Gewerkschaften mehr...

  • Rheinische Post: Lärmquelle Nachbar Düsseldorf (ots) - Wer schon mal in einem Mehrfamilienhaus gewohnt hat, kennt das: Es gibt ruhige Nachbarn und solche, die einem den letzten Nerv rauben. Das hört sich öfter so an, als ob eine Büffelherde durchzieht, der Stammtisch tagt oder die Stones proben. Da ist es verständlich, wenn sich Mieter Lärmschutz auch im Haus wünschen. Ein Rentnerpaar hat deshalb sogar den BGH um Hilfe gebeten. Die Nachbarn sollten verurteilt werden, das neue Parkett durch lärmschluckenden Teppichboden zu ersetzen. Die Richter aber lehnten ab. Der festgestellte mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Flüchtlingsfrage Ehrlich machen Johann Vollmer Bielefeld (ots) - Wenn Hollywood die Themen ausgehen, also zu Beginn jeder neuen Kinosaison, greift es zu Altbewehrtem: Superhelden und Virusschocker. Erlöser und Erlösungsmomente treiben noch immer die Menschen an die Kassen. Zwischen den Blockbustern "I am Legend" (2007), "Contagion" (2011), "World War Z" (2013) und "Planet der Affen" (2011 und 2014) liegen nur wenige Jahre, das Gruselmuster der alles und alle niederraffenden Seuche funktioniert dennoch immer gleich. Die wenigen Überlebenden schotten sich in gigantischen Festungen mehr...

  • Rheinische Post: Vertrauen wir Griechenland! Düsseldorf (ots) - Es wird Zeit, dass aus der Debatte um die griechische Misere die Emotionen und - mit Blick auf manche Medien - auch der Hass herausgenommen werden. Wenn sich Europa entschlossen hat, Griechenland im Euro-Raum zu halten, dann ist die Verlängerung des Hilfspakets nur logisch. Die Rettung muss dann im Euro-System erfolgen. Ein Drohpotenzial hatten Merkel & Co. nach dieser Grundsatzentscheidung nicht mehr. Weil das Geld schon im Sommer nicht mehr reichen wird und die Schuldenlast Griechenlands auf Jahre (noch) nicht mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht