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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Sicherheitsdebatte: Einigkeit und Recht und... ? Von Pascal Durain

Geschrieben am 09-01-2015

Regensburg (ots) - Nous somme Charlie - Wir sind Charlie! Auch
Tage nach dem Attentat auf die Redaktion des französischen
Satire-Blattes bleibt die Fassungslosigkeit, weltweit solidarisieren
sich Menschen mit "Charlie Hebdo": Doch Tage lang halten die
Attentäter die Polizei in Atem, während immer mehr Details über die
Brüder durchsickern, was die Behörden über sie alles wussten, und sie
doch nicht stoppen konnten. Der 7. Januar 2015, das ist - wie es
viele französische Medien ausdrückten - der europäische 11.
September. Doch anders als die USA, die damals mit
Vergeltungsschlägen und massiven Einschnitten von Freiheitsrechten
reagierten, hat Europa hier die Gelegenheit, besonnener zu reagieren.
So abscheulich diese Tat war, so unverantwortlich wäre es, sich von
der Angst übermannen zu lassen oder sie zu instrumentalisieren. Das
verhöhnt die Opfer. Doch nach der Schießerei vergingen nur wenige
Stunden, bis der erste Unionspolitiker die Vorratsdatenspeicherung
wieder ins Spiel brachte. Man wolle diesen Anschlag ja nicht
instrumentalisieren, aber... Bundesinnenminister de Maizière: "Der
Anschlag von Paris unterstreicht hier die Dringlichkeit." Zur
Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische
Gerichtshof haben diese Form der Massenüberwachung für
verfassungswidrig erklärt, bis heute gibt es dafür keine
Rechtsgrundlage - sondern nur die Angst vor einer Bedrohung. Und
nicht nur das: In Kreuth forderte man noch mehr Befugnisse für die
Sicherheitsbehörden und eine Verschärfung des Strafgesetzbuches. Auf
den Angriff auf unsere Freiheit reagiert man also mit
Grundrechtseingriffen und mehr staatlicher Überwachung. Sicherheit -
bekanntlich ein "Super-Grundrecht" für die Union - gehe ja vor. Aber
vielleicht geht das ja noch nicht weit genug, damit wir uns sicher
fühlen können. Wie wäre es mit vorbeugender Schutzhaft, liberaleren
Waffengesetzen oder der Todesstrafe? Siehe der Forderung einer
französischen Volksvertreterin mit Sitz im Europäischen Parlament,
die bald wieder als Präsidentschaftskandidatin antreten wird. Zur
Erinnerung: In Frankreich setzt man auf Vorratsdatenspeicherung, die
Behörden wussten, diese zwei Brüder sind gefährlich und gewaltbereit.
Im Kugelhagel in den Pariser Redaktionsräumen starben auch zwei
Polizisten, die für die Sicherheit des Chefredakteurs verantwortlich
waren. All das unterstreicht nur eine alte Tatsache: Eine absolute
Sicherheit kann es in einer freien Gesellschaft nicht geben. Wer
daran nicht glauben will, steht den Zielen der Attentäter von Paris
näher, als er vielleicht zu glauben imstande ist. Niemand bestreitet,
dass man sich radikalen Gotteskriegern in den Weg stellen muss, und
all jenen, die sich über den Mord an Journalisten freuen. Und niemand
weiß das besser als diejenigen, die sich nun wieder von den Taten
distanzieren müssen: die in Deutschland lebenden Muslime. Das zeigt
nur eine ebenso bekannt Tatsache: Mit dem Islam beschäftigt man sich
hierzulande nur dann, wenn es um Gräueltaten geht. Und genau dieser
Reflex befeuert die Haltung jener Menschen, die ihre irrationalen
Ängste vor Überfremdung auf die Straßen tragen und einen Kulturkampf
heraufbeschwören. Der 7. Januar 2015 stellt somit auch Deutschland
vor die Frage, was für eine Republik es sein will: eine, die die
Freiheit schützt - oder eine, die sich versteckt. Vielleicht hätten
die Unionspolitiker in Kreuth ihrem Gast aus Norwegen, Jens
Stoltenberg, besser zuhören sollen, als er zu ihnen sagte: "Die
Freiheit offener Gesellschaften ist unser bester Schutz, unsere beste
Verteidigung gegen Terror."



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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