(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Warten auf Ankara: Die USA hoffen im Kampf gegen den IS auf türkische Bodentruppen. Doch die Situation ist kompliziert. Von Thomas Spang

Geschrieben am 03-10-2014

Regensburg (ots) - Die USA machen hinter den Kulissen massiv Druck
auf die Türkei, dem grünen Licht aus dem Parlament für einen
militärischen Einsatz in den Nachbarländern Irak und Syrien nun auch
Taten folgen zu lassen. Niemand sonst in der Region verfügt über so
gut ausgerüstete und einsatzbereite Bodentruppen, mit denen die USA
die Luftangriffe der Anti-IS-Koalition effektiv koordinieren könnte.
Zudem handelt es sich um einen NATO-Partner, dessen militärische
Strukturen voll in das westliche Bündnis integriert sind. Ein
unschätzbarer Vorteil, weil es so nur wenige logistische
Reibungsverluste gibt. Aus amerikanischer Sicht befreit eine
Intervention der Türkei die USA zudem aus dem Dilemma, in das sich
die Supermacht mit dem expliziten Versprechen hineinbegeben hat,
keine eigenen Kampftruppen einzusetzen. In Washington findet sich
kein ernsthafter Analyst, der glaubt, die Terrorbrigaden des so
genannten Islamischen Staats ließen sich allein aus der Luft
besiegen. Damit hängt der Erfolg gegen den IS von schlagkräftigen
Verbündeten auf dem Boden ab, die es bisher nur als Wunschvorstellung
gibt. Ob jemals genügend Kämpfer der "moderaten" Opposition gegen den
syrischen Diktator Bashir al-Assad in Saudi-Arabien ausgebildet
werden können, steht in den Sternen. Die bisherigen Versuche des
amerikanischen Geheimdienstes CIA, die zersplitterten Verbände unter
dem Dach der "Free Syrian Army" zu vereinen, erwiesen sich als
genauso erfolglos wie die Bewaffnung und Ausbildung der Freiwilligen.
Ankara könnte Barack Obama mit einem Eingreifen aus der strategischen
Patsche helfen. Dass Präsident Erdogan dem Kriegsherrn wider Willen
im Weißen Haus diesen Gefallen erweisen wird, gilt jedoch als
keineswegs sicher. Das Kalkül der Türken ist komplexer als es der
Parlamentsbeschluss vermuten lässt. Während der Fokus der USA auf der
Zerschlagung des Kalifats und seiner extremistischen Kämpfer liegt,
hat Erdogan mindestens genauso sehr das syrische Regime und die
kurdische Minderheit im Nachbarland im Visier. Anders als im Irak
sind die Kurden in Syrien mit der PKK verbündet, die über Jahre im
Osten der Türkei für die Unabhängigkeit der Kurden-Gebiete gekämpft
hatte. Die bisherige Weigerung Ankaras, der Anti-IS-Koalition aktiv
zu helfen, wertete die Kurden als Bündnispartner der USA auf. Wenn
türkische Bodentruppen eingreifen, dann auch, um den kurdischen
Einfluss zurückzudrängen. Darüber hinaus besteht Erdogan darauf, dass
der Kampf gegen die Extremisten des "Islamischen Staats" nicht von
dem ultimativen Ziel ablenken dürfe, den syrischen Diktator Bashir
al-Assad loszuwerden. Amerikanische Luftangriffe ohne ein
Gegengewicht zu den syrischen Regierungstruppen auf dem Boden liegen
nicht im Interesse der Türkei. Diese Gemengelage macht Ankara zu
einem schwierigeren Verbündeten. Eine Situation, die noch weiter
verkompliziert wird, weil der türkische Geheimdienst zusammen mit
Agenten aus Katar und Saudi-Arabien in der Vergangenheit alle
möglichen Sunni-Gruppen in Syrien unterstützt hat. Über diesen Weg
flossen Geld und Waffen an Extremisten, die als die Mutigeren im
Kampf gegen den Schiiten-Freund Assad galten. Über Umwege auch an den
El-Kaida-Ableger Al-Nusrah und den IS. Erdogan dürfte schon sehr bald
gezwungen sein, zu zeigen, wie er den Parlamentsbeschluss zu nutzen
gedenkt. Sollte das türkische Militär tatenlos zuschauen, wie die
Gotteskrieger die Zivilbevölkerung in der Stadt Kobane abschlachten,
wäre die Hoffnung auf einen schlagkräftigen Partner der USA auf dem
Boden verflogen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

550438

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: Feiern am Feiertag! - Kommentar von Klaus Gassner Karlsruhe (ots) - Ohne die Menschen, die mit Mut und Augenmaß auf die Straße gegangen sind, würde noch heute eine Mauer durch unser Land gehen. Es war ein Umsturz, der die Welt gerechter gemacht hat. Das darf man feiern. Das muss man feiern. Etwas mehr Festtagsstimmung könnte die Botschaft von Zivilcourage und Bürgermut sogar besser befördern, als manche wohlfeile Sonntagsrede. Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de mehr...

  • Rheinische Post: Katholische Kirche geht beim Arbeitsrecht auf wiederverheiratete Geschiedene zu Düsseldorf (ots) - Die katholische Kirche in Deutschland lockert in einem wichtigen Punkt ihr Arbeitsrecht: Eine automatische Kündigung von Geschiedenen, die eine neue Ehe eingehen, soll künftig nicht mehr vorgesehen sein. Das geht aus dem Änderungsvorschlag für die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" in den deutschen Bistümern hervor, aus dem die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post (Samstagausgabe) zitiert. Die katholische Kirche erkennt Ehescheidungen nicht an und betrachtet standesamtliche Wiederverheiratungen deshalb mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Flüchtlingsdrama wird laut Entwicklungsminister Müller noch Jahre dauern Saarbrücken (ots) - Die Bewältigung des Flüchtlingsdramas im Nordirak und in Syrien wird die Weltgemeinschaft nach Ansicht von Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) noch über Jahre beanspruchen. Müller sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag): "Es geht nicht nur um Zelte, damit der Regen abgehalten wird. Es geht um Infrastruktur, es geht darum, dass Kinder und Jugendliche eine Perspektive bekommen." Daher müsse man sich auf Jahre einstellen, um die immense Flüchtlingsbewegung in den betroffenen Regionen in den Griff mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Maut wird laut Gutachten der Grünen für Tourismus zum Minus-Geschäft Saarbrücker (ots) - Die Einführung der Pkw-Maut könnte für den Tourismus in Deutschland zu einem großen Minus-Geschäft werden. Wie die "Saarbrücker Zeitung" (Samstag) berichtet, drohen der Branche nach Angaben der Grünen Verluste von bis zu 500 Millionen Euro, sollten Pkw-Urlaubsreisende aus den Nachbarländern Deutschland wegen der Maut meiden. Hintergrund ist ein von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenes Gutachten des Kieler Instituts für Tourismus- und Bäderforschung (NIT). Demnach gab es 2012 insgesamt 9,6 Millionen mehr...

  • Neue OZ: Interview mit Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) Osnabrück (ots) - Bundesregierung will mehr Geld für Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus Bundesfamilienministerin Schwesig fordert: Prävention verstärken Osnabrück.- Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) drängt angesichts des Zulaufs junger Leute zur islamistischen Terror-Miliz IS auf eine Aufstockung des Bundesprogramms "Demokratie leben!" gegen Rechtsradikalismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte Schwesig: "Angesichts der vielen Probleme, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht