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Mittelbayerische Zeitung: Ein neuer Tiefpunkt / An den Misshandlungen im Asylheim von Burbach tragen nicht nur die Täter auf dem Bild die Schuld. Leitartikel von Pascal Durain

Geschrieben am 29-09-2014

Regensburg (ots) - Ein Sicherheitsmann stellt einem
Hilfesuchenden, einem 20-jährigen Algerier, den Fuß in den Nacken und
grinst in die Kamera, ein anderer Mann in Uniform drückt das Opfer,
dessen Hände bereits auf dem Rücken gefesselt sind, zu Boden und
posiert mit. Ein Dritter drückt auf den Auslöser. Ein Bild, das an
Guantanamo oder Abu Ghuraib erinnert. Diese Aufnahme geht durch alle
Medien. Es ist ein Bild, dass Terrorbanden und Hasspredigern in die
Hände spielt. Das Erschreckende an diesem Bild ist aber nicht nur,
dass dem Täter jede Achtung vor der Menschenwürde fehlt, sondern dass
erneut bewiesen ist, wie sehr die Bundesrepublik und ihre Entscheider
mit dem Flüchtlingszustrom überfordert sind. Und so verfestigt sich
immer mehr ein Eindruck: Umso mehr Hilfe- und Schutzsuchende nach
Deutschland drängen, umso rechtsfreier wird der Raum, in den wir
Flüchtlinge zwingen zu leben, umso mehr geben wir unsere so gern
beschworenen Werte auf. Der Sicherheitsmann hat einen Menschen
körperlich gequält, die Verwaltungsapparate tun es auf eine andere
Art. Dass sie es zugelassen haben, ist unentschuldbar. Die Täter auf
dem Bild sind eben nur die, die man auch sieht. Die Schuld tragen sie
nicht allein. Die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften flohen
einst vor Hunger, Verfolgung, Krieg, Leid, aus der alltaggewordenen
Hölle, viele riskierten immer wieder ihr Leben, um dann teils für
Jahre eingepfercht in einem Lager irgendwo in Deutschland zu leben -
immer in der ständigen Angst, bald eine Fahrkarte in die Hand
gedrückt zu bekommen. Das schürt Wut, und aus der wird schnell Hass,
die auf Abwege führt. Das ist eines Rechtsstaats unwürdig. Die
Aufnahme aus der Flüchtlingsunterkunft in Burbach offenbart: Der
Staat darf sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen und seine
Aufgaben an private Unternehmen delegieren. So wird die Not von
Tausenden zum Geschäftsmodell. Das heißt nicht, dass alle
Sicherheitsdienste in diesem Land schlecht sind, das Männer in
Uniform auch Sadisten sind. Umgekehrt muss man sich aber nicht
wundern, wenn vorbestraften Gewalttäter ohne jegliche Qualifikation
Macht und Mittel gegeben werden, um über 700 Menschen zu wachen. Die
Hemmungen fallen, wenn Menschen offenbar das Gefühl haben, tun und
lassen zu können, was sie wollen - ohne irgendeine Konsequenz
fürchten zu müssen. Noch in einer Ausschreibung vor wenigen Wochen
suchte die nun in die Schlagzeilen geratene Nürnberger Firma SKI noch
einen Wachmann für jene Unterkunft, der weder einen Schulabschluss
noch über Berufserfahrung verfügt. Nach dem all das bekannt ist, ist
die öffentliche Empörung groß - aber die Quälereien aus Burbach wären
folgenlos geblieben, wenn ein Video nicht einem Journalisten
zugespielt worden wäre. Die Flüchtlingsdebatte wird scheinheilig
geführt: Versprechungen und Solidaritätsbekundungen schlagen nach wie
vor hoch - geändert hat sich kaum etwas. Das Asylaufnahmegesetz ist
dasselbe, die Anträge werden nicht schneller bearbeitet, die Beratung
wird Sozialverbänden überlassen, die Kommunen müssen mit dem gewohnt
knappen Budget auskommen. Stattdessen werden Länder zu sicheren
Drittstaaten erklärt, um schneller abschieben zu können und weiter
eine Kultur der Abschottung gepflegt. Doch nun bleibt zu hoffen, dass
es nach dem vorläufigen Tiefpunkt nur noch aufwärts gehen kann. Das
kann Bundesinnenminister de Maizière gleich heute bei seiner Tour
durch Asylunterkünfte beweisen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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