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Das Märchen von der Kostenexplosion

Geschrieben am 23-09-2014

Berlin (ots) - Der AVR und die Sparpotenziale: Kein
wissenschaftliches Werk, sondern politischer Kassenleitfaden

Der Arzneiverordnungsreport hat in den 30 Jahren eine wichtige
Erkenntnis: der Anteil der Ausgaben für Arzneimittel an den
Gesamtausgaben der GKV bleibt konstant, und das trotz einer älter
werdenden Gesellschaft und immensem medizinischen Fortschritts. 1985
lag nach Angaben des AVR der Anteil bei 15,2 Prozent, jetzt bei 16,2
Prozent. Und diese konstante Entwicklung macht deutlich, dass anders
als von den Autoren des AVR nicht von einer Kostenschraube bei den
Arzneimittelausgaben gesprochen werden kann sondern nur von einer
normalen wirtschaftlichen Entwicklung. "Wenn man bedenkt, welche
immensen Verbesserungen wir seit 1985 erreicht haben und dass wir
eine älter werdende Gesellschaft haben, die schlicht und ergreifend
mehr Arzneimittel benötigt, dann sollte man nicht weiter das Märchen
der Kostenexplosion erzählen. Wer dies weiter macht, verkennt die
Entwicklungen, wie beispielweise bei HIV, wofür es 1985 keine
Therapie gab, wir heute aber hochwirksame Arzneimittel haben, die den
Betroffenen eine fast normale Lebenserwartung ermöglichen. Immerhin
geben die Autoren, wenn auch nur stillschweigend, erste Fehler zu.
Endlich kommt der AVR den Forderungen von BPI und der Professoren
Cassel und Ulrich nach und rechnet zumindest bei Generika nun
annähernd richtig. Das Ergebnis ist, dass das AVR-Einsparpotential
hier bei Null liegt. Nur lag es dort schon im Vorjahr, in dem der AVR
noch ein Sparpotenzial gesehen hatte. Leider sind die Daten des AVR
auch in diesem Jahr fragwürdig, zu fehlerhaft waren die Ausgaben
dieses Werkes in den letzten Jahren. Alleine die Tatsache, dass man
sich rühmt, dass die methodisch hanebüchenen Ländervergleiche der
letzten Jahre als politischer Kompass gedient hätten und erneut
zitiert werden, macht deutlich, dass es den Autoren nicht um
Wissenschaft sondern um Krankenkassenpolitik geht, sagte Dr. Norbert
Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BPI.

Der BPI und die Professoren Cassel und Ulrich haben in den
vergangenen Jahren immer wieder nachgewiesen, dass die vom AVR
benannten Einsparpotentiale fiktiv und methodisch falsch berechnet
sind. Ein extremes Beispiel war 2013, als der AVR angebliche
nationale und internationale Einsparpotentiale addierte. Dabei wurde
zuerst berechnet, was eingespart werden könnte, wenn man ein
Arzneimittel durch günstigere Alternativen im deutschen Markt
ersetzt, um dann noch einmal zu berechnen, was eingespart werden
könnte, wenn man es durch das günstigere französische Arzneimittel
ersetzt. Man kann aber eine Packung nur einmal ersetzen, nicht
zweimal - der AVR hat diese Ergebnisse aber addiert und so kam man
bei sieben Arzneimitteln auf eine Einsparmöglichkeit von 1 Mil-liarde
Euro, obwohl die GKV nur 900 Millionen ausgegeben hatte. Dass diese
Doppelzählung unwissenschaftlich ist, hatte der AVR 2012 wohl
erkannt, denn hier wurde dieser Fehler nicht gemacht. 2013 ebenso wie
2010 und 2011 aber wohl. Der Schluss liegt nahe, dass man sich erneut
dieses Rechentricks bediente, um die Summe der möglichen Einsparungen
in die Höhe zu treiben.

Auch wurden bei internationalen Preisvergleichen immer wieder
Handelsstufen, Rabatte, Wechselkurse oder Mehrwertsteuer komplett
ignoriert, so dass die Ein-sparpotentiale bei bestimmten Präparaten
größer erschienen als sie tatsächlich sind. So wurde zum Beispiel im
AVR 2010 der Apothekenverkaufspreis eines Antidiabetikums in
Deutschland und Schweden verglichen und den Herstellern in
Deutschland die Schuld am höheren Preis zugewiesen. Hier konnte der
BPI je-doch sehr schnell nachweisen, dass der Preis nach Abzug der
Mehrwertsteuer, der Großhandelsmarge , der Rabatte und bei Beachtung
der Wechselkurs-schwankungen sogar noch unter dem schwedischen Preis
lag. Trotzdem verweisen die Autoren auch in diesem Jahr erneut auf
diese falschen Vergleiche.

Erstaunlich ist, dass die Autoren des AVR offenbar partiell
dazulernen und ihre Methodik plötzlich ändern. Einige Mängel sind
aber auch nur vorübergehend be-hoben worden und dann wieder
vorhanden. "Insgesamt ist zu beobachten, dass mit abnehmender Zahl
der methodischen Mängel im AVR auch die ausgewiesenen
Einsparpotentiale sinken", so Gerbsch. Zugleich bleiben wichtige
Rechenalgorithmen intransparent und die Autoren verweigern sich einer
fachlichen Ausei-nandersetzung über die Berechnungsmethoden. Wir
werden den AVR dieses Jahres wieder genau ansehen um festzustellen,
ob er endlich zu solidem Arbeiten übergegangen ist oder weiterhin als
politisch instrumentalisierte Statistik da-herkommt und erneut
nachfragen. Alles in allem war und ist der AVR mit seinen
fragwürdigen Sparpotentialen sicherlich kein geeigneter Kompass für
gute Ge-setze. Um das zu erkennen, muss neben Zeit nur den AVR und
einen Taschen-rechner zur Hand nehmen."

Die Berechnungen zu den methodischen Mängeln und eine Aufsatz der
Profes-soren Cassel und Ulrich finden Sie hier:
www.bpi.de/presse/pressekonferenzen/.



Pressekontakt:
Ihr Ansprechpartner: Joachim Odenbach, Tel. 030/27909-131,
jodenbach@bpi.de


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