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Aachener Zeitung: "Kommentar": Für jeden etwas dabei / Die AfD ist populistisch, aber keine Gefahr / Amien Idries

Geschrieben am 15-09-2014

Aachen (ots) - Hilfe, CDU/CSU! Rettet unsere Demokratie vor der
fürchterlichen AfD! So oder so ähnlich lauten derzeit die schrillen
Hilferufe zu den Wahlerfolgen der Alternative für Deutschland. Die
Union müsse nur ein wenig nach rechts rutschen, kurz "Law & Order"
rufen oder "Grenzen dicht", schon wäre das sehr gefährliche
AfD-Problem eingedämmt. Wer so argumentiert, tut genau das, was man
Populisten aller Couleur zu allererst vorwerfen muss: Probleme erst
dramatisieren, um dann simple Lösungen anzubieten. Denn das
vermeintliche politische AfD-Erdbeben ist keine unvorhersehbare
Naturkatastrophe, sondern war im Prinzip überfällig. Seit Jahren
bewegt sich das Potenzial derer, die sich von den etablierten
Parteien nicht mehr vertreten sehen, konstant bei mindestens 15
Prozent. In anderen europäischen Ländern wird diese Klientel schon
seit längerem an der Wahlurne abgegriffen. Auch hierzulande gab es
Versuche, die jedoch scheiterten, weil Deutschland aufgrund der
nationalsozialistischen Geschichte ein schwieriges Pflaster für
rechtspopulistische Parteien ist. Wer sich als neue Kraft nicht
deutlich genug gegen ganz rechts abgrenzt, hat in Deutschland zum
Glück ein Problem - eher als etwa in Österreich. Diese Abgrenzung ist
der AfD bislang - zumindest in der Wahrnehmung der meisten ihrer
Wähler - gelungen. Nicht umsonst legt Parteichef Lucke darauf in der
Außendarstellung den größten Wert. Allzu brisante Stellen in den
Wahlprogrammen wurden so entschärft, dass die Partei wählbar blieb.
Lucke selbst spielt bei dieser Wahrnehmung übrigens eine
Schlüsselrolle. Manche Politologen gingen davon aus, dass der
Rechtspopulismus auch deswegen lange Zeit so erfolglos in Deutschland
gewesen ist, weil ihm eine charismatische Führungsfigur wie etwa Jörg
Haider fehlte. Lucke zeigt, dass es in Deutschland ganz im Gegenteil
einen Biedermann braucht, um schneidige Thesen zu verkaufen. Doch was
genau ist die AfD nun? Rechtspopulistisch, wertkonservativ,
rechtskonservativ, nationalliberal, die deutsche "Tea Party"? An
Etiketten herrscht kein Mangel. Nur lässt sich die AfD derzeit nicht
wirklich etikettieren. Nicht, weil sie, wie Lucke ständig behauptet,
Rechts-Links-Mustern bereits entrückt und auf dem Weg zur Volkspartei
ist, sondern weil sie selbst noch nicht weiß, was sie ist. Als
Einthemenpartei gestartet, hat sie inzwischen viele Politikfelder
besetzt und vertritt stets eine populäre Anti-Establishment-Position.
Ein bunter Strauß populistischer Thesen wird da angeboten.
Das-Boot-ist-voll-Rhetorik hier, Gender-Wahn da, satter
Wohlfahrtsstaat dort. Und zu allem gibt es einfache Lösungen. Da ist
für jeden Enttäuschten und Zurückgelassenen etwas dabei. In
Brandenburg warf sich Spitzenkandidat Gauland per Brief gar
Linksparteiwählern an den Hals. Und das mit Erfolg. Das Problem für
die AfD und das Glück für unser demokratisches System aber ist, dass
sich so keine Politik betreiben lässt. Wer sich mit simplen Lösungen
komplexen Probleme nähert, wird über kurz oder lang scheitern. Und
wenn die AfD doch langfristig das Maximale aus dem Potenzial der
Enttäuschten herausholen sollte? Dann muss die Union reagieren, indem
sie sich beispielsweise auch im Bund die Koalitionsoption
Schwarz-Grün erschließt; so könnte sie ihre Machtposition wahren. Für
die Demokratie muss sie das nicht tun; die hält zwölf Prozent für die
AfD aus.



Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


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