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Rechtsgutachten: Gesetzlich auferlegter Zwang zur Tarifeinheit ist verfassungswidrig

Geschrieben am 05-09-2014

Berlin (ots) - Es gibt keine erkennbare Rechtfertigung für einen
Eingriff in das Recht der Koalitionsfreiheit, wie dies mit einer
gesetzlich auferlegten Tarifeinheit einhergehen würde. Die
Bundesregierung läuft Gefahr, mit der angestrebten gesetzlichen
Festschreibung der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen
Mehrheitsprinzip ein verfassungswidriges Gesetzesvorhaben zu
beschließen. Diese Auffassung vertritt Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio,
Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Bonn
und ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, in seinem heute
veröffentlichten Rechtsgutachten "Gesetzlich auferlegte Tarifeinheit
als Verfassungsproblem", das der Marburger Bund in Auftrag gegeben
hatte.

Für den faktischen Ausschluss einer eigenständigen
Berufsgewerkschaft aus der Tarifautonomie bedürfe es einer
gesteigerten Rechtfertigung. "Es müssen für den Betrieb und für die
Koalitionsfreiheit im Betrieb schwerwiegende Gefahren bestehen, die
auch nachweisbar und belegbar sind und für alle Wirtschaftssektoren
konkret drohen", betont Di Fabio. "Mögliche oder denkbare, aber
letztlich nur abstrakt bleibende Disparitäten" könnten den gesetzlich
auferlegten Zwang zur Tarifeinheit und damit die Zerstörung der
Tarifautonomie selbstständiger Berufsgewerkschaften nicht
rechtfertigen. Die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems stehe
nicht auf dem Spiel, die Szenarien blieben hypothetisch. Die sich
abzeichnende Umsetzung des Koalitionsvertrages werde daher "zu einem
verfassungswidrigen, weil ungerechtfertigten Eingriff in die
Koalitionsfreiheit führen", warnt der Verfassungsrechtler.

"Ein vom Gesetz auferlegtes Gebot zur betrieblichen Tarifeinheit
würde für die Berufsgewerkschaften den Kernbereich von Art. 9 Abs. 3
Grundgesetz betreffen, weil der hoheitliche Entzug einer in der
sozialen Wirklichkeit bereits erkämpften Tarifautonomie der
Berufsgewerkschaft ihre Wesensbestimmung nimmt", heißt es in dem
Gutachten. Das koalitionsmäßige Betätigungsrecht für Berufsgruppen
ergebe sich bereits aus dem Wortlaut und aus dem Sinn einer nicht
politisch vorgeformten Arbeits- und Wirtschaftsordnung nach Art. 9
Abs. 3 GG: "Wenn sich Arbeitnehmer eines bestimmten Berufs als
Koalition zusammenschließen, um Tarifverträge auszuhandeln und
notfalls zu streiken, ist dies genau dasjenige Recht, das der
Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG garantiert."



Pressekontakt:
Marburger Bund Bundesverband, Hans-Jörg Freese (Pressesprecher), Tel.
030/746846-41, E-Mail: presse@marburger-bund.de


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