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Nierenlebendspende: Warum die Süddeutsche Zeitung Recht hat

Geschrieben am 25-08-2014

Thedinghausen (ots) - Als Reaktion auf die Artikel "Geben und
Nehmen" vom 10. Mai 2014 (ein Nierenlebendspender wird
dialysepflichtig) und "Operation fatal" vom 25. Juli 2014 (ein
Empfänger einer Nierenlebendspende verstirbt) in der Süddeutschen
Zeitung (SZ), wehrt sich die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie
(DGfN) mit einer Stellungnahme vom 1. August 2014 gegen die
"pauschale Behauptung" der SZ "Mediziner gehen immer höhere Risiken
bei der Organspende von Lebenden ein".

Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN) nimmt
nunmehr ihrerseits wie folgt Stellung:

Die aktuellen Leitlinien zur Nierenlebendspende sind unzureichend
und zu dem unverbindlich. Weder die "ERBP Guideline on the Management
and Evaluation of the Kidney Donor and Recipient" (erst im August
2013 publiziert) noch die "Amsterdamer Leitlinien" schützen
Nierenlebendspender ausreichend vor den möglichen Folgen einer
Spende. Die dort als akzeptable Nierenfunktion für eine Spende
angegeben Werte, liegen deutlich unter den für die jeweilige
Altersgruppe angegebenen unteren Normalwerten. Damit werden Menschen
als Spender zugelassen, deren Nierenfunktionswerte schon vor der
Spende deutlich unterdurchschnittlich sind. Demzufolge werden bis zur
Hälfte der Nierenlebendspender nach der Spende dauerhaft
niereninsuffizient und leiden an entsprechender Symptomatik und
Folgeerkrankungen, wie zum Beispiel die Daten des Schweizer
Organ-Lebendspender-Gesundheits-Registers SOL-DHR zeigen.

Obwohl die Leitlinien Vorerkrankungen ausschließen, werden immer
wieder Menschen mit starkem Übergewicht, Diabetes (siehe
YouTube-Video, Universitätsklinikum Aachen, "Die Niere - Dr. Anja
Mühlfeld im Gespräch"), Hypertonie, systemischen
Autoimmunerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen etc. zur Spende
zugelassen. Junge Frauen mit Kinderwunsch werden, trotz erhöhter
Risiken, nicht über diese aufgeklärt. Junge Spender aus
Zystennierenfamilien werden ohne effektiven Ausschluss dieser
genetischen Disposition nephrektomiert. Alleine der Funktionsverlust
nach Nephrektomie kann zu individuell unterschiedlich empfundenem
Verlust an körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit führen.
Kognitive Einschränkungen werden bei Niereninsuffizienz in bis zu 50
% der Fälle beschrieben. Dies gilt auch für insuffiziente
Nierenlebendspender.

Erstmals hat die IGN im Jahr 2011 das "Fatigue-Syndrom" nach
Nierenlebendspende thematisiert. Dies wurde bis vor kurzem vehement
von der Ärzteschaft abgestritten. Bezeichnenderweise spricht Prof.
Dr. med. Bernhard Banas, als Vertreter der Deutschen
Transplantationsgesellschaft (DTG) und DGfN in der Ärztezeitung
("Lebendspende zwischen Anspruch und Wirklichkeit",
www.aerztezeitung.de, 14. August 2014) in diesem Zusammenhang nun von
einem "ernstzunehmenden Problem". Zudem bestätigt Prof. Banas in
diesem Artikel, dass es "von Fall zu Fall" sein könne, dass auf Grund
des Organmangels die Auswahlkriterien bei Lebendorganspendern nicht
mehr so streng gehandhabt werden und widerspricht damit der am 1.
August 2014 veröffentlichten Stellungnahme der eigenen
Fachgesellschaft DGfN.

Es ist somit richtig und entspricht auch den Erfahrungen der IGN,
dass die Transplantationsmedizin immer höhere Risiken eingeht und
sich nicht an Leitlinien hält, nicht zuletzt weil diese unverbindlich
sind. Die Leitlinien eignen sich somit nicht als Argument für eine
sichere Nierenlebendspende, wie von der DGfN behauptet wird.

Die medizinische und versicherungsrechtliche Aufklärung wurde bis
vor kurzem nahezu flächendeckend nicht nach den Vorgaben des
Transplantationsgesetzes durchgeführt. Der vorgeschriebene
unabhängige Arzt war in den seltensten Fällen einbezogen.

Die Ethikkommission hat die Aufgabe, innerhalb einer knappen
Stunde, finanzielle oder emotionale Abhängigkeitsverhältnisse
zwischen Organempfänger und Organspender zu erfragen. Dieser
Verpflichtung kann sie in der Realität kaum nachkommen. Eine
medizinische Aufklärung findet dort - entgegen manch anders lautender
Aussagen - nicht statt.

Das von der DGfN aufgeführte Argument Pro-Lebendspende, dass die
Überlebensrate des Organs beim Empfänger einer Lebendspende höher
ist, als bei einer postmortalen Spende ist blanker Zynismus. Damit
werden potentielle Spender geradezu aufgefordert, kaum beherrschbare
Risiken einzugehen, um einem anderen kranken Menschen gesundheitliche
Erleichterung zu verschaffen. Kein Wort darüber, dass aus dem
Transplantationsvorgang sehr häufig zwei kranke Menschen hervorgehen
und dass die Verbesserung der Lebensqualität für den Organempfänger
nur vorübergehend ist. Der Spender muss den Rest seines Lebens mit
nur einer Niere und den möglichen Folgen leben. Zusätzlich wird
emotional mit dem Argument des drohenden Todes nierenkranker Menschen
ein unerträglicher Druck auf potentielle Nierenlebendspender
aufgebaut. Flankiert durch die Erwartungshaltung des sozialen
Umfelds, ist eine Ablehnung der Spende kaum mehr möglich.

Mit dieser Argumentation konterkariert die DGfN offen den Auftrag
der Ethikkommisionen, die die Freiwilligkeit und fehlende
Abhängigkeit prüfen sollen.

Die Organlebendspende ist kein Ersatz für die rückläufige
postmortale Organspende. Die Gesundheit von Menschen darf nicht für
den "Bedarf" an Organen geopfert werden, sondern verdient höchsten
Schutz und der lebende potentielle Spender hat das uneingeschränkte
Recht auf Selbstbestimmung aufgrund umfassender Information - ohne
jegliche äußere Beeinflussung.

Die Vermischung der Lebendorganspende mit der postmortalen Spende
ist unzulässig. Beide Behandlungsmethoden beinhalten ihre eigenen
Risiken und ethischen Bewertungen und müssen komplett getrennt
diskutiert werden.

Es müssen endlich wissenschaftlich haltbare Standards für die
Auswahl und Nachbetreuung von Lebendorganspendern geschaffen werden.
Ein verbindliches Lebendspenderregister zur lückenlosen
Nachverfolgung der gesundheitlichen Entwicklung der Spender muss
dringend eingeführt werden.

Die nach wie vor unzureichende versicherungsrechtliche Absicherung
der Spender bedarf einer erneuten, dieses Mal, zielführenden
Überarbeitung. Zudem muss den zahlreichen bereits beschädigten,
teilweise berufsunfähigen Lebendorganspender, unbürokratisch und
umfassend geholfen werden. Medizinisch und finanziell.

Die IGN fordert seit 2011 den Dialog. Die Transplantationsmedizin
und der Gesetzgeber sind gefordert endlich zu reagieren.



Pressekontakt:
Ralf Zietz, 1. Vorsitzender, Interessengemeinschaft
Nierenlebendspende e. V., 27321 Thedinghausen, Fon: 04204-685478,
Mobil: 0172-2721018, Email: ralf.zietz@nierenlebendspende.com,
Internet: www.nierenlebendspende.com.


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