Mittelbayerische Zeitung: Sultan Erdogan - Der neue türkische Präsident führt das Land weit weg von der EU - hin zur autoritären islamischen Republik. Von Stefan Stark
Geschrieben am 11-08-2014 |   
 
 Regensburg (ots) - Der neue Sultan der Türkei heißt Recep Tayyip  
Erdogan. Nach seinem Wahltriumph steuert der künftige Präsident auf  
eine Machtfülle zu, die es seit dem Osmanischen Reich nicht mehr  
gegeben hat. Darüber jubeln jedoch nicht nur die Anhänger des starken 
Mannes am Bosporus. Pikanterweise ist Erdogans Sieg auch für jene 70  
Prozent der Bundesbürger ein Grund zum Feiern, die laut Umfragen  
einen türkischen EU-Beitritt entschieden ablehnen. Denn mit dem  
Erfolg des islamischen Staatschefs dürfte sich die Türkei noch weiter 
von Europa entfernen. Die türkischen Wähler haben Erdogan belohnt für 
die prosperierende Wirtschaft. Der seit einem Jahrzehnt währende  
Aufschwung mit zeitweise märchenhaften Wachstumsraten ist gewiss ein  
Verdienst des AKP-Chefs. Unter Erdogan ist eine wohlhabende  
Mittelschicht entstanden, die wieder stolz auf ihr Land ist. Dass  
Millionen Türken nach wie vor für Hungerlöhne und unter skandalösen  
Arbeitsbedingungen schuften müssen, wurde bei dieser Wahl von der  
Mehrheit ausgeblendet. Denn viele glauben weiter, dass Erdogans  
Wohlstandsversprechen auch ihnen irgendwann zu einem sozialen  
Aufstieg verhilft. Gleichzeitig haben sich die zahlreichen  
Konservativen ganz bewusst für einen starken Führer entschieden, der  
ihnen als Hüter der islamischen Ordnung gilt. Die Demonstranten vom  
Gezi-Park stehen nicht für eine landesweite türkische  
Bürgerrechtsbewegung. Sie sind der Ausdruck für eine tief gespaltene  
Gesellschaft. Auf der einen Seite die Liberalen und eher weltlich  
eingestellten Türken, die vor allem in Istanbul und einigen anderen  
Großstädten leben. Auf der anderen Seite die streng Konservativen und 
Religiösen auf dem Land. Die Präsidentenwahl war ein Votum für einen  
autoritären Staat und gegen demokratische Freiheiten. Sie war ein  
Ausdruck dafür, dass die Aussicht auf ein paar Lira mehr in der  
Gelbörse der Mehrheit wichtiger ist als etwa die Zensur des  
Internets. Ein Übriges dürften bei vielen unentschiedenen Wählern die 
Kriege und Krisen in gleich drei Nachbarstaaten geleistet haben. Rund 
um die Türkei donnern die Kanonen: in Syrien, im Irak und in der  
Ostukraine. Angesichts dieser gefährlichen Brandherde wollten die  
Türken keine politischen Experimente wagen. Mit Erdogans Wahlsieg  
steht das Land vor einem Zeitenwechsel. In seiner Siegesrede hat er  
von einer "neuen Türkei" gesprochen. Was genau er darunter versteht,  
wird sich bald zeigen. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass der 
Machtmensch Erdogan sich wie sein Vorgänger mit repräsentativen  
Aufgaben begnügt. Immerhin kann er sich darauf berufen, dass er  
direkt vom Volk gewählt wurde. Falls Erdogan an seinem alten Kurs  
festhält, wird er dieses Mandat für einen radikalen Umbau des  
politischen Systems nutzen. Er wird das Präsidentenamt so gestalten,  
dass es ihm eine nahezu unbegrenzte Machtfülle garantiert. Und wenn  
nicht auf Lebenszeit, dann - so hat Erdogan es selbst angekündigt -  
mindestens bis 2023, wenn die Türkei ihr 100-jähriges Bestehen  
feiert. Dieses Datum ist auch insofern interessant, weil  
Staatsgründer Kemal Atatürk damals Staat und Religion voneinander  
trennte. Heute sieht es so aus, als ob Erdogan im Zuge seiner  
schleichenden Islamisierung das Rad zurückdreht. Die Debatte über ein 
Lachverbot für Frauen in der Öffentlichkeit oder die Diskussion über  
"islamische Strände" in Ferienorten mögen im Westen nur ungläubiges  
Kopfschütteln hervorrufen. Für die türkische Gesellschaft geben sie  
aber sehr wohl die Richtung vor, wohin die Reise mit Erdogan gehen  
soll. Mit dem neuen Sultan befindet sich das Land auf dem besten Weg  
zur autoritären islamischen Republik - und weit weg von der EU. 
 
 
 
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