Aachener Zeitung: Kommentar: Abgesang aufs Netz / In Kriegszeiten sind Facebook & Co. kontraproduktiv / Amien Idries
Geschrieben am 01-08-2014 |   
 
 Aachen (ots) - Es ist an der Zeit, einen Abgesang auf das Internet 
als Instrument der Demokratieförderung und Wahrheitsfindung  
anzustimmen. Der Arabische Frühling und seine sich via Facebook  
organisierenden Revolutionäre hatten vielerorts die Hoffnung  
ausgelöst, dass dem Netz per se eine aufklärerische und befreiende  
Dynamik innewohnt. Diese Annahme, der auch der Autor dieser Zeilen  
anhing, war naiv. Vor dem Hintergrund der derzeit im Netz  
stattfindenden Propagandakriege um den Nahen Osten und die Ukraine  
muss man zu einem deprimierenden Schluss kommen: Bei stark  
emotionalisierten Konflikten hilft das Internet nicht nur nicht, der  
Wahrheit auf die Spur zu kommen, nein, es ist sogar kontraproduktiv.  
Dieses Fazit muss ziehen, wer sich einmal einen Vormittag lang durch  
wahlweise antisemitische oder antiislamische Kommentarspalten  
geklickt oder Webseiten besucht hat, die hier Putin, dort der Nato  
jeweils die gesamte Verantwortung für den Krieg in der Ostukraine  
anlasten. Warum aber gibt es dennoch Menschen, die meinen, durch den  
Konsum möglichst vieler verwackelter Handy-Videos unklarer Herkunft  
besonders gut informiert zu sein? 
 
   Authentizität schlägt Objektivität: 
 
   Zweifel an der Objektivität von klassischen Medien sind so alt wie 
die Medien selbst. Zum Gegenspieler wird durch die sozialen Medien  
nun die Authentizität von Augenzeugen. Egal ob Videos oder  
Twitter-Meldungen, egal ob aus Gaza, Tel Aviv oder Donezk: Leid,  
Angst oder Trauer direkt von den Betroffenen sind wirkmächtiger als  
jedes noch so hintergründige Stück eines Journalisten. Die  
Authentizität schlägt angezweifelte Objektivität. Was dadurch  
verloren geht, ist Komplexität. So schrecklich die Bilder von  
getöteten Kindern im Gaza-Streifen auch sind, sie sind nur ein Teil  
eines riesigen Schreckensgemäldes im Nahen Osten. Es gibt natürlich  
auch im Internet ausgewogene und hintergründige Darstellungen der  
Konflikte, die aber gehen derzeit im Kriegspropagandageschrei unter.  
Was viele überdies vergessen, ist, dass hinter jedem Video, jedem  
Tweet immer ein Absender steht. Ein Absender, den wir nicht kennen,  
der aber meist Partei sein dürfte. Nicht zu reden von den vielen  
Fälschungen, die über Facebook bereits Eingang in die Debatte  
gefunden haben. 
 
   Freund oder Feind? Krieg ist die finale Zuspitzung des  
Gegeneinanders. Wir gegen die. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.  
Auch den vermeintlich Unbeteiligten lassen die Nachrichten und Bilder 
aus Kriegsgebieten- zum Glück - nicht kalt. Er will sich  
positionieren, Partei ergreifen. Kriegszeiten sind deshalb  
Schwarz-Weiß-Zeiten, Grautöne verschwinden. Äußerungen wie "Ja, aber" 
oder "Einerseits, andererseits" werden meist als Plädoyer für den  
Gegner interpretiert. Dieser Schwarz-Weiß-Malerei kommen vor allem  
die sozialen Netzwerke sehr entgegen. 
 
   Das Problem der Echokammern: 
 
   Wir Menschen mögen keine Informationen, die unser Weltbild  
erschüttern. Deshalb neigen wir dazu, Informationen so auszuwählen,  
zu suchen und zu interpretieren, dass sie unsere Erwartungen  
erfüllen. Diese kognitive Verzerrung, die der Psychologe Peter Wason  
1968 Bestätigungsfehler genannt hat (engl. = confirmation bias), wird 
durch das Internet verstärkt. Automatische Benachrichtigungen durch  
RSS-Feeds, Schlagworte  mittels Hashtags und die Freundesliste auf  
Facebook liefern die perfekte Infrastruktur, um unsere Meinung wie in 
einer Echokammer fortwährend zu bestätigen, so dass wir nach einer  
Runde durch "unser" Netz noch überzeugter sind, dass das eigene  
Weltbild das richtige ist. Das gilt für den Putinfreund ebenso wie  
für den Putinhasser, für den Palästinensersympathisanten ebenso wie  
für den Israelverteidiger. 
 
   Aus all dem folgt ein Plädoyer für klassischen Journalismus. Gute  
Zeitungen, TV-Magazine und Blogs liefern Komplexität, erlauben sich  
ein "Ja, aber" und konfrontieren uns fundiert mit einer anderen  
Meinung. Das kann besonders in emotionalen Kriegszeiten viel wert  
sein. 
 
 
 
Pressekontakt: 
Aachener Zeitung 
Redaktion Aachener Zeitung 
Telefon: 0241 5101-389 
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
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