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Mittelbayerische Zeitung: Am längeren Hebel / Die "Tierwohl-Initiative" ist nur ein Anfang. Entscheidend ist das Verhalten der Verbraucher. Leitartikel von Dagmar Unrecht

Geschrieben am 15-07-2014

Regensburg (ots) - Zu den WM-Partys lagen sie zuhauf auf dem
Grill: saftige Steaks, Rippchen und Würstchen. An Tagen wie diesen
macht sich wohl kaum einer Gedanken darüber, wie Tiere leben, bevor
sie auf dem Teller landen. Debatten über artgerechte Haltung eignen
sich beim Essen auch nur bedingt als Gesprächsstoff. Es gibt
appetitlichere Themen als zum Beispiel die Frage, ob Ferkel ohne
Betäubung kastriert werden sollen. Doch zwischen den Mahlzeiten wäre
durchaus Zeit, über die Produktionsbedingungen in der
Lebensmittelbranche nachzudenken. Schließlich ist es der Verbraucher,
der mit seiner Kaufentscheidung die Richtung vorgibt. In Umfragen
geben die Deutschen regelmäßig an, dass ihnen das Tierwohl wichtig
ist. Dabei spielen auch romantische Vorstellungen von freilaufenden
Hühnern, Schweinen im Bilderbuchstall und Bauernhöfen inmitten grüner
Wiesen eine Rolle. Die Realität sieht anders aus. An der Ladentheke
ist das Wohl der Tiere keine Herzensangelegenheit mehr. Im Zweifel
zählt für Verbraucher der Preis. Die Mehrheit kauft lieber billig,
also Fleisch aus Massenproduktion. Denn nur über entsprechende Mengen
lassen sich auch bei Schleuderpreisen noch Gewinne erzielen. Es geht
hier nicht darum die Fleischproduktion im großen Stil pauschal zu
verurteilen. Deren Qualität wird regelmäßig geprüft und muss hohe
Standards erfüllen. Auch die Haltung der Tiere in riesigen
Mastbetrieben ist durch eine Vielzahl von Vorgaben streng geregelt.
Ausgefeilte Technik ist im Einsatz, im digitalen Stall wird pünktlich
auf die Minute gefüttert und saubergemacht. Fleisch in großen Mengen,
in guter Qualität und zu günstigen Preisen anbieten zu können, ist
eine Leistung. Viele Menschen in Deutschland können dadurch ein Leben
im Überfluss führen. Doch die Effizienzsteigerung im Stall hat ihre
Schattenseiten: Die Bundesbürger essen mehr Fleisch und Wurst als
ihnen gut tut. Kleine bäuerliche Betriebe haben es schwer, sich gegen
die Großen der Branche zu behaupten. Tiere in der Landwirtschaft
verkommen immer mehr zu reinen Produktionsfaktoren: Sie haben
Nummern, keine Namen. Daran wird auch die "Tierwohl-Initiative" so
schnell nichts ändern. Dennoch ist das geplante Bonussystem, das
mehrere Handelsketten und die Land- und Fleischwirtschaft ab 2015
einführen möchten, das richtige Signal. Bauern sollen motiviert
werden, die Haltungsbedingungen von Hühnern und Schweinen zu
verbessern, zum Beispiel durch Tageslicht im Stall oder Heu statt
Fertigfutter. Für den zusätzlichen Aufwand erhalten Landwirte Geld.
Die Teilnahme ist freiwillig. Die Initiative ist schon deshalb
sinnvoll, weil sie das Thema Tierschutz in den Fokus rückt. Sie ist
aber auch ein Eingeständnis dafür, dass in deutschen Ställen
Handlungsbedarf besteht. Kritiker befürchten, dass die Branche mit
einer Flucht nach vorn nur versucht, strengere Gesetze - die dann für
alle verpflichtend wären - zu verhindern. Der Einwand ist berechtigt.
Sollten die Appelle wirkungslos verpuffen, muss nachgelegt werden.
Wie die Tierschutz-Initiative Kunden informieren wird, steht noch
nicht fest. Bio-Siegel gibt es schon genug. Wie viel "Bio" in
einzelnen Produkten steckt, ist für Verbraucher aber oft schwer zu
erkennen. Daher ist das Misstrauen in solche Kennzeichnungen groß.
Neues Vertrauen aufzubauen, ist eine der großen Herausforderungen für
die Lebensmittelbranche. Sie ist daher gut beraten, ihr Bekenntnis
zum Tierschutz ernst zu nehmen und die Bürger nicht an der Nase
herumzuführen. Am Ende sitzt der Kunde am längeren Hebel. Er könnte
diese Macht nutzen und beim nächsten Einkauf auch an die Tiere
denken.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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