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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten

Geschrieben am 17-06-2014

Bielefeld (ots) - Geschichtsschreibung in arabischen Ländern hat
oft mehr mit Begeisterung als mit Historie zu tun. Wer in ägyptischen
Lehrbüchern die Geschichte des Suez-Krieges mit der Version in den
Protokollen der UNO vergleicht, wird erstaunt feststellen: Ein
amerikanisch-sowjetisches Übereinkommen zwang damals Briten,
Franzosen und Israelis zum Abzug vom Kanal und aus dem Sinai; in
ägyptischen Annalen dagegen sieht es so aus, als habe Nasser (»der
Siegreiche«) die Feinde in die Flucht geschlagen. Nasser war gerade
zum Präsidenten gewählt worden. Vier Jahre zuvor hatte er mit »freien
Offizieren« König Faruk vertrieben. Eine Militärjunta regierte das
Land am Nil. Und daran hat sich in den 60 Jahren danach de facto
nichts geändert. Es waren stets Militärs, die im Land herrschten, von
Nasser über Sadat, Mubarak bis Al Sisi. Das Intermezzo Mursi war für
sie ein Unfall auf dem Weg der Siegreichen. Auch jetzt ist die
Begeisterung größer als die Wahrheit. Natürlich handelt es sich um
eine Militär-Diktatur mit Wahlen. Al Sisi, der gestern ein ihm
ergebenes Kabinett präsentierte, wird zuerst für mehr Sicherheit
sorgen, zum Beispiel für die Frauen. Sexuelle Belästigungen und
Vergewaltigungen gehören seit dem Sturz Mubaraks in Ägypten zum
Alltag. Mit eiserner Faust wird er die Muslimbrüder unterdrücken, so
wie es seine Vorgänger getan haben. Das ist er auch den saudischen
Sponsoren schuldig, die in den Muslimbrüdern eine Gefährdung ihrer
Macht argwöhnen. Außenpolitisch wird Al Sisi am Friedensvertrag mit
Israel festhalten. Viel mehr lässt sich im Moment nicht sagen. Auch
nicht, ob das Bündnis mit den USA hält. Washington hat sich sehr für
die Muslimbrüder engagiert in der falschen Analyse, dass dieser
Geheimbund als kommende Macht aus der Arabellion in der gesamten
Region und darüber hinaus sich etablieren werde. Es war nicht das
erste Mal, dass die Nahost-Analysen der CIA in die Irre führten.
Obamas Sympathie für den Islam im Allgemeinen und für die
Muslimbrüder im Besonderen, hat die Generäle am Nil verunsichert. Sie
schauen sich nach Alternativen um. Al Sisis jüngster Besuch in Moskau
zeigt, dass in der Region möglicherweise wieder ein Allianzenwechsel
bevorsteht. Die Russen werden die wirtschaftlichen Probleme Ägyptens
nicht lösen können. Aber mit den Petro-Dollars aus Saudi-Arabien kann
man die Zeit überbrücken, bis die neu gewonnene Sicherheit im Land
wieder Touristen hereinströmen lässt. Bis dahin wird es viele
Todesurteile geben. Und in Washington und Europa wird man sich
fragen, was besser ist? Eine Militär-Diktatur mit demokratischer
Fassade oder eine islamistische Diktatur, auch in demokratischer
Verhüllung. Für beide Regime wird man Begeisterte am Nil finden.
Vielleicht ist das kleinere Übel tatsächlich, dass erstmal Frieden
herrscht, und sei es der Frieden des Stärkeren.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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