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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Fall Hoeneß

Geschrieben am 09-03-2014

Bielefeld (ots) - Ein vielleicht nur viertägiger Prozess vor dem
Landgericht München II wird die Republik verändern. Der Staat wird in
der Folge weitere Millionen von Steuerhinterziehern einnehmen, die
sich aus Angst selbst anzeigen. Die Statthaftigkeit der Möglichkeit
einer strafbefreienden Selbstanzeige wird ebenso neu diskutiert
werden wie die Verjährung von Steuerstraftaten. Wenn es gut läuft,
kommt dabei vielleicht heraus, dass beide Regelungen verschärft
werden, damit diese Art von Betrug keinen legalen Gewinn durch die
Kombination beider Vergünstigungen mehr abwerfen kann. Und womöglich
findet sich in den Landeshaushalten künftig auch mehr Geld für die
ertragsträchtige bessere Umsetzung der Steuergesetze, sprich:
leistungsfähigere Finanzämter und mehr Steuerfahnder. Doch das warten
wir lieber mal ab, denn Vorstöße in dieser Richtung werden in der
Regel durch den effizienzfeindlichen Effekt des
Länderfinanzausgleichs gebremst. Als wäre das noch nicht genug an
Bedeutung für ein einzelnes Verfahren, ist da ja auch noch die Moral.
Im Januar legte ein Institut seine »Trendstudie zur Moral in
Deutschland« vor. Die größten Aufreger 2013 waren demnach das Abhören
durch die NSA, die Affäre um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst,
und dann kamen schon Uli Hoeneß' Steuern - deutlich vor der Eurokrise
und dem Pferdefleischskandal. Nicht wenige Deutsche sind enttäuscht
von dem vermeintlich so guten Menschen Uli Hoeneß, oder vielmehr
erkennen sie, dass sie sich ein falsches Bild von ihm gemacht haben -
und einige wünschen ihn nun dafür in den Knast. Das Merkwürdige ist:
Von denen, die eine Gefängnisstrafe für richtig halten, haben mit
hoher Wahrscheinlichkeit auch schon mehrere Steuern oder
Sozialabgaben hinterzogen. Das kann statistisch gesehen kaum anders
sein. Dafür werden in deutschen Badezimmern einfach zu viele Fliesen
erst schwarz verlegt und in den nächsten Jahren dann schwarz geputzt.
Insofern ist die Moraldiskussion ohnehin zu einem erheblichen Teil
zur Selbstanklage geeignet. Aber so lange der Staat hier nicht
genauer hinsieht, muss das jeder vor allem mit sich selbst ausmachen.
Heuchelei ist nicht strafbar. Das trifft aber auch auf Uli Hoeneß zu.
Deswegen können seine jahrelangen Talkshowansprachen über Anstand und
andere hehre Dinge nun nicht strafverschärfend wirken. Das muss man
sich vor dem heutigen Prozessbeginn noch einmal klarmachen.
Moralvorstellungen stehen zwar hinter den Buchstaben des Gesetzes,
aber nicht über ihnen. Deshalb kann die - in diesem Fall endlich -
veränderte Sicht einer Gesellschaft auf die Regeln, die sie sich
gegeben hat, zwar zur Änderung dieser Regeln führen. In laufenden
Verfahren darf sich das jedoch nicht auswirken. Und zu guter Letzt,
daran sei das Publikum erinnert, spielt es auch keine Rolle, ob man
Hoeneß sympathisch findet oder nicht.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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