(Registrieren)

Westdeutsche Zeitung: Der Bundespräsident auf heikler Mission in Griechenland = von Hagen Strauß

Geschrieben am 07-03-2014

Düsseldorf (ots) - Im Amt des Bundespräsidenten könnte man es sich
auch bequemer machen. Joachim Gauck schont sich jedoch nicht. Der
Bundespräsident geht dorthin, wo es unbequem werden kann. Es zieht
ihn zu den Stätten, wo Deutsche während des Zweiten Weltkrieges
gewütet haben, um dort um Vergebung zu bitten; er reist in die
Länder, zu denen die Bundesrepublik eine besondere Beziehung hat - im
Guten wie im Schlechten. Sucht man nach fast zwei Jahren im Amt eine
Mission des Bundespräsidenten, dann ist es die: versöhnen und
ermutigen. Es ist zugleich ein schmaler Grat, auf dem Gauck da
wandelt. Er muss wie jetzt in Griechenland angemessene Worte finden,
ohne dabei den Eindruck zu hinterlassen, er könne über das Wort
hinaus operativ und politisch etwas bewirken. Wie kompliziert das
ist, zeigt der Konflikt um die Reparationen, der bei Gaucks Reise
nach Athen unerwartet heftig zutage getreten ist. Gauck hat
zweifellos hinzugelernt. Kurz nach seinem Amtsantritt sorgte er noch
für Verwirrung, als er bei seiner Israelreise Merkels Versprechen
infrage stellte, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson. Er
musste damals kleinlaut zurückrudern. Seitdem ist dem Präsidenten
klar: Er ist kein Neben-Außenminister, er kann Impulse setzen, aber
politisch nicht viel wagen. So hat er auch in Griechenland agiert.
Das zwingt Gauck jedoch förmlich dazu, vor allem moralisch zu
argumentieren - und zu sein. Dabei ist er gleichwohl ehrlich und
authentisch, wie er an Orten der NS-Gräuel in Tschechien, Italien,
Frankreich und jetzt Griechenland gezeigt hat. Gauck muss freilich
aufpassen, dass seine Vorsicht nicht Überhand gewinnt. Ein allzu sehr
geschliffener Präsident wird es schwer haben, sich Gehör zu
verschaffen. Zur Ukraine hat er sich noch nicht geäußert, obwohl ein
paar präsidiale Sätze dazu angebracht wären. In Griechenland hätte er
zudem ein sicherlich viel beachtetes Zeichen setzen können, wenn er
sich nicht nur mit Intellektuellen oder Existenzgründern getroffen
hätte, sondern auch mit Menschen, die von der Krise extrem betroffen
sind. Das hat er nicht getan. Der Präsident hat sich auf seine
Europarede beschränkt, um Solidarität zu zeigen. Für viele Griechen
dürfte das zu wenig gewesen sein.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

515904

weitere Artikel:
  • WAZ: Kein Recht auf Prozesshanselei - Kommentar von Tobias Blasius Essen (ots) - Das Asylrecht ist kein Recht auf Prozesshanselei einiger Winkeladvokaten, die ohne jede Erfolgsaussicht mit immer neuen Klagen von Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien die Gerichte beschäftigen. Das bindet Richterkraft, geht zulasten tatsächlich schlimmer Verfolgungsschicksale aus anderen Teilen der Welt und lähmt Justitia in übrigen Rechtsgebieten. Die neue Bundesregierung sollte Länder des ehemaligen Jugoslawiens schleunigst zu sicheren Herkunftsstaaten erklären und unterstreichen, was sie unter politischer Verfolgung mehr...

  • WAZ: Zwischen Schuld und Schulden - Kommentar von Christian Kerl Essen (ots) - Bewegend und überzeugend hat sich Joachim Gauck in Griechenland für die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht entschuldigt. Viel zu lange wurde dieser Teil des Nazi-Terrors bei uns beschwiegen, anders als die Verbrechen in Polen oder Russland sind die Gräueltaten in Griechenland für die breite Öffentlichkeit kein Thema. Die Bitte um Verzeihung war überfällig, aber Gauck hat sich einen ungünstigen Termin ausgesucht: In Griechenland ist Wahlkampf, die Opposition will die Europawahl zur Volksabstimmung gegen den mehr...

  • WAZ: Die vergessene Region - Kommentar von Thomas Wels Essen (ots) - Was für ein Befund. Drei von vier Revierbürgern sehen ihre Interessen von der Bundesregierung vernachlässigt. Und nun, wer lernt was daraus? Zum Ersten kann es keiner Bundesregierung gefallen, wenn es einen wirtschaftlich nicht ganz unbedeutenden Landstrich mit fünf Millionen Einwohnern gibt, die sich als Vergessene der Republik fühlen. Zum Zweiten muss sich auch eine Landesregierung fragen lassen, wie weit sie gekommen ist in der Vertretung der Landesinteressen, schließlich ist die SPD über den Bundesrat mächtig mehr...

  • Aachener Nachrichten: Mehr als Worte? Der Besuch des Bundespräsidenten in Griechenland; Von Joachim Zinsen Aachen (ots) - Die Griechen sind "Nichtstuer, Schieber und Korrupteure." Nein, das ist kein Satz aus der "Bild"-Zeitung. Auch wenn er so klingt. Der Satz ist mehr als 70 Jahre alt. Er kam aus dem Mund eines deutschen Generals, der 1943 die griechische Kleinstadt Kalavryta zerstören und 700 Männer exekutieren ließ. Allein schon in der Sprache des Wehrmachtssoldaten lagen Arroganz und tiefe Verachtung für die Griechen. Eine Verachtung, an die sich viele geschichtsbewusste Hellenen heute erinnert fühlen, wenn wir munter über "Pleitegriechen" mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: AfD-Vorsitzender Bernd Lucke: "Man schämt sich im Osten nicht, deutsch zu sein" Weimar (ots) - Mit einem unbefangeneren Verhältnis der Ostdeutschen zu Fragen der nationalen Identität erklärt sich der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke die besonders guten Wahlergebnisse seiner Partei in den neuen Bundesländern. "Man schämt sich dort nicht, deutsch zu sein", erklärte Lucke in einem Interview mit der Thüringischen Landeszeitung (Sonnabend, 8. März). Das Vertreten nationaler Interessen werde in Thüringen oder Sachsen mit mehr Sympathie als im Westen aufgenommen, sagte Lucke. Das hänge mit der Sozialisierung vieler Menschen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht