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Allg. Zeitung Mainz: Stärker geworden / Kommentar zu Wulff

Geschrieben am 27-02-2014

Mainz (ots) - Nein, der Strafprozess gegen Christian Wulff war
nicht überflüssig. Nein, sein Rücktritt als Bundespräsident war nicht
voreilig, sondern unausweichlich. Nein, er ist nicht von Medien aus
dem Amt geschossen worden - gehetzt haben ihn einige allerdings
schon. Transparenz ist gut und notwendig. Aber wenn ein
Bundespräsident aufgefordert wird, im Internet Details über die
Herkunft von Ober-, möglicherweise auch von Unterbekleidung seiner
Ehefrau zu veröffentlichen, dann wird es aberwitzig. Ja, es ist ein
sauberer Freispruch, wenn man so will: erster Klasse, auch wenn es
keine Klassifizierung von Freisprüchen mehr gibt. Bisweilen
vermittelte die Staatsanwaltschaft in diesem Prozess wider besseres
Wissen den Eindruck, Wulff habe gefälligst seine Unschuld zu beweisen
- was eine Perversion des Rechtsstaats wäre. Ja, die
Staatsanwaltschaft hat ein jämmerliches Bild abgegeben. Aber
wahrscheinlich konnte sie nicht anders. Sie ist weisungsgebunden. Und
wenn es denn stimmt, dass Wulffs CDU-Intimfeind Bernd Busemann als
weisungsbefugter niedersächsischer Justizminister 2012 zum Halali auf
den Präsidenten blies, dann wird einem Angst und Bange. Ein Ausweg
wäre, Staatsanwälten dieselbe Unabhängigkeit zu verschaffen wie
Richtern. Nach dem Urteil ist nun viel die Rede davon, an Wulff werde
etwas "hängen bleiben". Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten
Stein. Bernd Busemann wurde, kurz bevor er im Februar 2013 zum
Landtagspräsidenten avancierte, alkoholisiert am Steuer seines
Dienstwagens erwischt. Für Fehler teuer bezahlt Kurz vor dem Urteil
sollte das Gericht noch klären, wie es zu Bildern kam, die Wulff -
ausgerechnet Wulff - in Lederhosen auf dem Oktoberfest zeigen. Welch
tiefe Symbolik. Wulff, im Haifischbecken Berlin glamourverliebt
geworden aber linkisch geblieben, der, womöglich um seiner neuen Frau
zu imponieren, zum Schnäppchenjäger und Dauereingeladenen wurde. Kein
schlechter Mensch, kein schlechter Politiker. Aber offenbar doch
überfordert, die Nerven verlierend, dem Chefredakteur der
"Bild"-Zeitung auf die Mailbox fabulierend. Einer, dem man deshalb
sagen musste: Wir achten es, dass Du als Jugendlicher Deine kranke
Mutter gepflegt hast, aber den Staat können wir Dir nicht mehr
anvertrauen. Der Strafprozess:Manchmal muss es ganz schlimm kommen,
damit es besser wird. Es spielt überhaupt keine Rolle, dass es "nur"
um 700 Euro ging. Es war gut, zu klären, ob sich ein deutscher
Bundespräsident strafbar gemacht hatte. Eine sehr wichtige, sehr
prinzipielle Frage. Antwort: Nein. In diesem Fall fügte es sich "am
Ende des Tages" (eine der Lieblingsfloskeln Christian Wulffs) im
Ergebnis also glücklich, dass die Staatsanwaltschaft, ob auf Drängen
der Politik oder nicht, Anklage erhob;denn so können nun, nachdem
viel Blut geflossen ist, auf allen Seiten Wunden gereinigt heilen.
Wulff hatte niemals Häme verdient und er brauchte und braucht auch
kein Mitleid. Er hat gravierende Fehler begangen und dafür teuer
bezahlt. So ist das oft im Leben. Aber er scheint in dieser Krise
stärker geworden zu sein. Darüber darf man sich ganz menschlich mit
ihm freuen, zumal es wichtiger ist als jede Frage nach
Comeback-Chancen in der Politik.



Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de


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