(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Schweiz: Neues Fundament von Hanna Vauchelle

Geschrieben am 10-02-2014

Regensburg (ots) - Darf Bern den Zuzug von EU-Bürgern weiter
einschränken oder nicht? Es ist nicht das erste Mal, dass Brüssel und
die Schweiz über dieselbe Frage streiten. Doch dieses Mal hat
Helvetia den Bogen überspannt. Es muss klar sein: Es gibt keine
Freiheit des Waren-und Kapitalverkehrs ohne Freiheit des
Personenverkehrs. Wenn die Eidgenossen auf Quoten für Menschen aus
der EU bestehen, muss es auch Quoten auf Geschäfte von Schweizer
Firmen im EU-Binnenmarkt geben. Damit wird einmal mehr deutlich, dass
Bern und Brüssel dringend ein neues Fundament für ihre Beziehungen
brauchen. Es war ein Sieg der Angst, irrational, und genau deshalb so
gefährlich. Denn dass ausgerechnet die reiche Schweiz, deren
Wohlstand auch auf dem Zuzug gut ausgebildeter EU-Fachkräfte beruht,
nun die Schotten dicht macht, gibt den rechtspopulistischen Parteien
in Europa Auftrieb. Schon fordern die Euro-Hasser von der AfD ein
ähnliches Modell zum Immigrationsstopp in Deutschland. Für die
anstehenden Europawahlen lässt das nichts Gutes erahnen.
Nichtsdestotrotz muss das Schweizer Votum für die etablierten
Parteien auch ein Weckruf sein. Sie müssen der Zukunftsangst, die im
Referendum zum Ausdruck kommt und wie sie auch in vielen EU-Staaten
vorherrscht, entschieden entgegentreten. In diesem Sinne täte die EU
gut daran, ihren Bürgern zu erklären, dass die Personenfreizügigkeit
zum Wohlstand aller Europäer beiträgt. Letztendlich hat sich die
Schweiz mit dem Votum also ins eigene Fleisch geschnitten. Auch wenn
die Verärgerung in Brüssel verständlich ist, schließlich rührt das
Referendum am Herzstück der EU, sollte man besser kühlen Kopf
bewahren. So fehlten lediglich rund 20 000 Stimmen, um die Initiative
zu Fall zu bringen. Und selbst die Schweizer Regierung war von Anfang
an gegen den Zuwanderungsstopp. Sie muss nun die Angsthetze der
Schweizer Rechtspopulisten ausbaden und steht vor einer schwierigen
Aufgabe. Einerseits muss sie das Referendum respektieren und
andererseits darf sie die Verträge mit der EU nicht verletzen.
Drohgebärden aus den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament sind
dabei wenig hilfreich. Darüber hinaus hat der Ausgang der Abstimmung
auch gezeigt, dass die Schweiz ihr Verhältnis zur EU klären muss.
Dafür braucht es nichts weniger als eine neue gesetzliche Grundlage.
Denn bisher jagt ein bilateraler Vertrag den nächsten. Die
Beziehungen zwischen Brüssel und Bern sind aufgrund der vielen
Extra-Absprachen immer komplizierter geworden. Die Folgen, nämlich
juristische Unsicherheit für Behörden, Unternehmen und Bürger, sind
in der Vergangenheit immer wieder beklagt worden. Abhilfe war lange
Zeit nicht in Sicht. Zwar hatte die EU bereits vor Jahren klar
gestellt, dass sie von der Verhandlung individueller Verträge
wegkommen wolle und einen gesetzlichen Gesamtrahmen mit der Schweiz
anstrebe. Doch bisher wollte Bern davon nichts wissen. Und so müssen
beide Parteien wie im aktuellen Fall erneut einen hässlichen Kampf um
juristische Feinheiten ausfechten. Das Votum macht die Dringlichkeit
für ein neues Fundament deutlich. Dabei zeigt das Beispiel Norwegens,
dass es anders geht. Das Nicht-EU-Land ist Mitglied des Europäischen
Wirtschaftsraumes (EWR) und verfügt damit über jenen juristischen
Rahmenvertrag, den Brüssel auch mit Bern haben könnte. Beiden Seiten
bleiben nun drei Jahre Zeit, um zu einer neuen Einigung zu kommen.
Dann erst muss das Referendum in ein Gesetz gegossen sein. Es liegt
nun an der Schweiz ein erstes Angebot zu unterbreiten. Die EU kann
bei dem Poker nur gewinnen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

511159

weitere Artikel:
  • Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Gemeinschaftsschulen - Die Luft wird dünn Ravensburg (ots) - Jenseits aller bildungsideologischen Debatten steht außer Frage: Im dritten Jahr ist die Gemeinschaftsschule endgültig in der Fläche angekommen. Der Ausbau schreitet weiter voran, auch wenn die Zulassungszahl vom vergangenen Jahr nicht mehr erreicht wird. Und selbst wenn die CDU 2016 wieder die Regierung übernehmen sollte - die Gemeinschaftsschulen werden auch unter der nächsten Regierung weiter existieren, wenn auch vielleicht unter anderem Namen. Für die Kommunen mit genehmigter Gemeinschaftsschule ist dies mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Schweiz - Harsche Worte bringen nichts Ravensburg (ots) - Etwas Gelassenheit und weniger Emotionen tun not. Am Sonntag hat sich die Schweiz ins politische Abseits laviert, weil es der europafeindlichen SVP gelungen ist, ihre Anhänger zu mobilisieren. Ein Viertel der stimmberechtigten Schweizer haben der Mehrheit ihrer Landsleute einen Bärendienst erwiesen. Doch im deutschen, wie im europäischen Interesse darf es nicht zu einer Isolierung der Schweiz kommen. Die Berner Bundesregierung hat drei Jahre Zeit, neue Regeln mit der EU auszuhandeln. Vom großen Binnenmarkt mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Desinteresse Kommentar Von Martin Ferber Karlsruhe (ots) - Er steht. Und er denkt gar nicht daran zu fallen. Klaus Wowereit hat in seiner bald 13-jährigen Amtszeit als Regierender Bürgermeister von Berlin schon so viele Stürme überstanden, dass er sich von einem solch lauen Lüftchen wie der Steueraffäre seines Vertrauten André Schmitz erst recht nicht aus dem Amt wehen lässt. Dass der 60-jährige Sozialdemokrat aus einem harten Holz geschnitzt ist und eine Teflonschicht besitzt, an der alle Affären scheinbar folgenlos abperlen, hat er in der Vergangenheit schon mehrfach mehr...

  • Rheinische Post: Der ewige Streit um die Diäten Kommentar von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Solange die Abgeordneten ihre eigene Bezahlung festlegen dürfen, wird es Streit um die Diäten geben. Deshalb wird auch diesmal der Aufschrei groß sein, wenn sich die Parlamentarier in zwei Schüben satte Anhebungen von jeweils fünf Prozent genehmigen. Gut möglich, dass auch die neue Reform der Abgeordnetenentschädigung scheitert, obwohl sich Union und SPD bis ins Detail einig sind. Im Grunde ist der neue Versuch, die Abgeordnetenbezahlung auf eine solide Basis zu stellen, sogar vernünftig. Wer sollte etwas dagegen mehr...

  • Rheinische Post: Schärfere Regeln für Selbstanzeigen: NRW-Finanzminister sieht Chancen auf Einigung mit Bund Düsseldorf (ots) - NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht bei einer Verschärfung der Regeln für Selbstanzeigen Einigungschancen innerhalb der großen Koalition und auf Länderebene. "Dass die Möglichkeit einer Selbstanzeige keinen Aufforderungscharakter haben darf, es mit Steuerbetrug ja mal versuchen zu können, wenn man es hinterher reparieren kann, wird mittlerweile auch von CDU und CSU geteilt, genauso wie die Auffassung, dass sich das Versteckspiel am Ende nicht auch noch gelohnt haben darf", sagte Walter-Borjans mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht