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"DER STANDARD"-Kommentar: "Konkurrenz für Esoteriker" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 23-12-2013

Vom neuen Papst werden konkrete Schritte zur Erneuerung seiner
Kirche erwartet (Ausgabe ET 24.12.2013)

Wien (ots) - Nun sag, wie hast du's mit der Religion? Diese Frage
aus Goethes Faust stellt sich alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit
für zumindest eine Million Menschen in Österreich, die laut Statistik
"ohne religiöses Bekenntnis" sind. Nur fünf Prozent davon verstehen
sich ausdrücklich als Atheisten.

Selbst Zweiflern fällt es in diesen Tagen in einem christlich
geprägten Land schwer, sich Fragen des Glaubens zu entziehen. Diese
gehen weit darüber hinaus, ob man nun die Christmette besuchen soll
oder nicht. Es geht um drängende Sinn- und Lebensfragen, auf die
viele auch in einer säkularisierten Welt Antworten suchen.

Weltweit sind die Gotteszweifler - seien es Neoatheisten oder
Agnostiker - auf dem Vormarsch. Die nach dem Zusammenbruch des
Kommunismus und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erwartete
Rückkehr der Religion ist nicht eingetreten, es gab und gibt einen
massiven Schub an Säkularisierung. Dennoch ist in der Gesellschaft
ein Bedürfnis nach Spiritualität und Orientierung vorhanden. Das
zeigt sich etwa darin, dass esoterische Veranstaltungen boomen.
Bücher, in denen auf verschiedenste Arten Sinnfragen gestellt werden,
erfreuen sich starker Nachfrage.

Dass sich immer mehr Menschen insbesondere von der
römisch-katholischen Kirche abwenden, hat auch damit zu tun, dass die
Kirche nicht die richtigen Antworten für die Menschen unserer Zeit
hat. Diese Wahrnehmung ist seit Jahren stabil, wie die alljährlich
durchgeführte Market-Umfrage für den Standard zeigt. Daran hat der
neue Papst Franziskus nichts geändert, wiewohl er als viel
vertrauenswürdigerer Vermittler von Glaubensinhalten als sein
Vorgänger Benedikt eingeschätzt wird.

Der aus Argentinien stammende Papst hat aber erkannt, dass die
katholische Kirche auf die Menschen zugehen sollte. In seinem ersten
Interview sagte er: "Wir versuchen, eine Kirche zu sein, die neue
Wege findet, die fähig ist, zu denen zu gehen, die nicht zu ihr
kommen, die ganz weggegangen oder die gleichgültig sind. Die Gründe,
die jemanden dazu gebracht haben, von der Kirche wegzugehen - wenn
man sie gut versteht und wertet -, können auch zur Rückkehr führen.
Das braucht Mut und Kühnheit."

In seinem ersten apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium
bezeichnet der Papst das derzeitige Wirtschaftssystem als "in der
Wurzel ungerecht". Damit trifft er in Zeiten der Finanzkrise, in
denen über Verantwortung von Banken und Grenzen der Märkte diskutiert
wird, einen Nerv.

Wie Theologe Hans Küng in einem Standard-Gastkommentar
feststellte, dürfte in Deutschland (wie auch in Österreich) annähernd
die Hälfte der katholischen Paare von Sakramenten ausgeschlossen
sein. Darauf müsse die Kirche eingehen. "Es geht um pastorale
Probleme von größter Tragweite, die die Glaubwürdigkeit der
Amtskirche und auch des Papstes radikal infrage stellen", meint Küng.
Die Kirche hat zudem durch eigene Schuld als moralische Instanz an
Ansehen eingebüßt.

Franziskus mahnt eine "Erneuerung der katholischen Kirche auf
allen Ebenen" an. Dazu braucht es mehr als Rhetorik: Mut und Kühnheit
in konkreten Schritten. Für Küng hat der Papst eine wichtige Etappe
absolviert, ist längst nicht am Ziel. Aber die katholische Kirche hat
mit ihm eine Chance, sich von Esoterikern abzuheben und wieder
stärker wahr- und von den Menschen ernst genommen zu werden.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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