(Registrieren)

Aachener Nachrichten: Kommentar; Das Zauberkarussell, Kabinettsliste mit kuriosen Personalentscheidungen; von Joachim Zinsen

Geschrieben am 16-12-2013

Aachen (ots) - Das Zauberkarussell hat sich gedreht.
Herausgekommen ist eine Kabinettsliste, die in Teilen kuriose Züge
trägt. Wer immer noch dem naiven Glauben anhängt, Minister würden
sich in erster Linie durch Fachkompetenz für ihr neues Ressort
qualifizieren, sieht sich wieder einmal eines Schlechteren belehrt.
Für die Personalentscheidungen waren auch dieses Mal andere Kriterien
ausschlaggebend. Als da wären: Proporzgründe, persönliche Ambitionen,
Danksagungen. Was will Ursula von der Leyen? Ganz einfach: Karriere
machen. Die ehrgeizige Christdemokratin mit dem eingefrorenen
Dauerlächeln denkt weit voraus, sieht sich als künftige Nachfolgerin
von Angela Merkel. Deshalb legte die Dame Wert auf ein herausragendes
Ressort. Das Gesundheitsministerium ist ihr inzwischen zu
unbedeutend. Das Arbeitsministerium und das Außenministerium wird von
der SPD blockiert. Ins Innenministerium wechselt der als
Verteidigungsminister unglücklich agierende Parteifreund Thomas de
Mazière. Bleibt für von der Leyen also nur dessen altes Ressort. So
absolviert die CDU-Politikerin nun ihr drittes Praktikum für das
Kanzleramt, dieses Mal im früheren Bendlerblock. Stört es jemanden,
dass sich die neue "Mutter der Kompanie" bisher mit allem Möglichen
beschäftigt hat, außer mit Verteidigungspolitik? Offenbar nicht.

Weil Alexander Dobrindt in den vergangenen Monaten so prächtig den
CSU-Wadenbeißer gegeben hat, sah sich sein Chef Horst Seehofer zu
Dank verpflichtet. Der Lohn für treue Gefolgschaft ist das
Verkehrsministerium. Zyniker mögen die Entscheidung mit einer
gewissen Genugtuung aufgenommen haben. Denn jetzt muss Dobrindt den
Unsinn umsetzen, den sich seine Partei ausgedacht hat, nämlich die
Autobahnmaut allein für Ausländer. Man darf sich bereits heute auf
die rhetorischen Klimmzüge des CSU-Mannes freuen, mit denen er uns
bald wird nahebringen dürfen, warum das Projekt aus europarechtlichen
Gründen zum Scheitern verurteilt ist. Weniger lustig ist allerdings
die Schnapsidee, dem Dobrindt-Ministerium auch den Bereich "digitale
Infrastrukur" zuzuordnen. Autobahn gleich Datenautobahn? Das Internet
scheint für Angela Merkel tatsächlich Neuland zu sein. Ansonsten ist
nicht zu erklären, warum sich in Zeiten des NSA-Skandals und des
Missbrauchs von Daten das Verkehrsressort und nicht das Justiz- oder
Wirtschaftsministerium mit dem Netz befassen soll. Zumal sich
Dobrindt in der Vergangenheit nicht eben als Internet-Fachmann,
geschweige denn als Vorreiter für Datenschutz einen Namen gemacht
hat. Aber auch das scheint in der neuen Koalition niemanden groß zu
stören.

Für eine erklärungswürdige bis absurde Personalpolitik zeichnet
allerdings nicht alleine die Union verantwortlich. Auch die SPD
mischt kräftig mit. Ausgerechnet Jörg Asmussen soll neuer
Staatssekretär im Arbeitsministerium werden. Jörg Asmussen? Ja, das
war der karriereorientierte junge Mann, der im Finanzministerium
unter Hans Eichel, Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble ein
radikaler Vorkämpfer für die Deregulierung des Finanzsektors war.
Der derzeitige Direktor bei der Europäischen Zentralbank, der in
Teilen seiner Partei als kaltherziger Banker verschrien ist, soll
jetzt maßgeblich für einen anständigen Mindestlohn und eine
Regulierung des Arbeitsmarktes sorgen. Zwar ist aus Saulus über Nacht
Paulus geworden. Aber von heute auf morgen aus einem neoliberalen
Bock einen Gärtner zu machen, wird das ausgerechnet Andrea Nahles
gelingen?
Als rätselhaft gilt vielen die Entscheidung von SPD-Vizekanzler
Sigmar Gabriel, das Ministerium für Wirtschaft und Energiewende zu
besetzen und nicht auf dem Finanzministerium zu bestehen. Schließlich
ist letzteres nach dem Kanzleramt das mächtigste Ressort im Kabinett.
Doch das Finanzministerium birgt gewaltige Gefahren. Gut möglich,
dass der oberste deutsche Kassenwart angesichts der noch lange nicht
ausgestandenen Wirtschafts- und Finanzkrise in der Euro-Zone der
Öffentlichkeit bald einige bittere und höchst unpopuläre
Entscheidungen verkünden muss. Darauf ist Gabriel nicht erpicht.
Schließlich hat auch er ein Ziel vor Augen: Spätestens 2017 will der
SPD-Chef Kanzler werden.



Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

502721

weitere Artikel:
  • Badische Zeitung: Sprechstunde für die Seele / Der Vorschlag des Kassenverbands zur Reform des psychotherapeutischen Angebots taugt nicht / Von Bernhard Walker Freiburg (ots) - Zunächst die gute Nachricht: In Deutschland bekommen mehr Psychotherapeuten eine Zulassung der Krankenkassen. Das war überfällig, weil heute vielerorts Kranke auf eine psychotherapeutische Behandlung warten müssen. Ob eine gute Reform dieses Versorgungsangebots gelingt, ist aber offen. Es ist ja nicht so, dass Wartezeiten das einzige Problem wären. Der Mangel führt auch dazu, dass mancher Patient dort landet, wo eben gerade noch etwas frei ist - auch wenn das dabei angebotene Therapie-Verfahren für ihn nicht geeignet mehr...

  • Berliner Zeitung: Zur Rolle der Frauen im neuen Kabinett: Berlin (ots) - Der Koalitionsvertrag von Union und SPD bietet zwar wieder nur recht vage Formulierungen zur Frauen- oder Gender-Politik. Es werden nun allerdings in Merkels drittem Kabinett zwei machtbewusste Frauen Schlüsselressorts leiten: Ursula von der Leyen das Verteidigungsministerium und Andrea Nahles das Arbeits- und Sozialministerium. Dass die beiden politisch nicht allzu weit auseinanderliegen in der Frauenpolitik, deutete ihr erster gemeinsamer Auftritt in einer Fernsehsendung am Sonntag an, in der von der Leyen gleich mehr...

  • Berliner Zeitung: Zur Rolle der Frauen im neuen Kabinett: Berlin (ots) - Der Koalitionsvertrag von Union und SPD bietet zwar wieder nur recht vage Formulierungen zur Frauen- oder Gender-Politik. Es werden nun allerdings in Merkels drittem Kabinett zwei machtbewusste Frauen Schlüsselressorts leiten: Ursula von der Leyen das Verteidigungsministerium und Andrea Nahles das Arbeits- und Sozialministerium. Dass die beiden politisch nicht allzu weit auseinanderliegen in der Frauenpolitik, deutete ihr erster gemeinsamer Auftritt in einer Fernsehsendung am Sonntag an, in der von der Leyen gleich mehr...

  • Frankfurter Rundschau: Pressestimme zur Wahl in Chile Frankfurt (ots) - Die Frankfurter Rundschau kommentiert die Präsidentschaftswahl in Chile: Sicher haben viele, statt wählen zu gehen, lieber Weihnachtseinkäufe gemacht, weil am Ergebnis kaum zu zweifeln war. Und dass die Chilenen sich entpolitisiert haben in den Jahren ihres konsumsatten wirtschaftlichen Aufstiegs, das gehört seit Jahren zu den soziologischen Analysen der Jahrzehnte nach Pinochet. Und dennoch: So lebendig bis erbittert wie zurzeit hat die chilenische Gesellschaft lange nicht mehr über Reform, Wandel, Erneuerung mehr...

  • WAZ: Das Ende der Selbstlähmung - Kommentar von Tobias Blasius Essen (ots) - Wer den Wortwitz strapaziert, bringt die jüngsten Vorgänge in der nordrhein-westfälischen CDU auf diese Formel: Karl-Josef Laumann wird als Patientenbeauftragter der Bundesregierung weggelobt, damit der mitgliederstärkste Landesverband der Partei von anhaltender Selbstlähmung und akuten Eifersüchteleien kuriert wird. Die Doppelspitze des Landtagsfraktionschefs Laumann mit dem Landesvorsitzenden Armin Laschet funktionierte nur leidlich gut, weil eine Opposition in der Regel immer dann erfolgreich ist, wenn sie einen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht