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DER STANDARD-Kommentar: "Der selbstbestimmte Rücktritt" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 11-02-2013

"Der Schritt von Benedikt XVI. gibt Anlass zur Hoffnung auf
Kirchenreformen"; Ausgabe vom 12.02.2013

Wien (ots) - Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. kam
überraschend. Dass - unabhängig von der Position und vom Alter -
jemand sagt, er fühle sich den Anforderungen in einer Spitzenposition
nicht mehr gewachsen, weil seine Kräfte nicht mehr ausreichen, ist
mutig. Erst recht in der katholischen Kirche, in der die höchsten
Positionen nur Männern vorbehalten sind - und zwar solchen, die im
"normalen Berufsleben" längst in Pension wären. Joseph Ratzinger hat
von Anfang an deutlich gemacht, dass er das Amt als Bürde, nicht als
Würde auffasst. Als Kirchenoberhaupt war er zögerlich, er blieb stets
ein Mann der Worte, nicht der Taten. Ihm fehlte das Charisma seines
Vorgängers Johannes Paul II.
So mutig das selbstbestimmte Ende des Pontifikats ist, so sehr haben
diesem Papst bei der Ausübung seines Amtes Mut und
Fortschrittlichkeit gefehlt. Er wird nicht als Reformer und Vertreter
der Aufklärung im Kant'schen Sinne, sondern als Retro-Papst in
Erinnerung bleiben. Er hat zugelassen, dass Positionen des Zweiten
Vatikanischen Konzils infrage gestellt wurden, und keine Schritte
gesetzt, die die Ökumene vorangebracht hätten. Dazu trug die
Islam-Schelte in seiner Regensburger Rede zu Beginn seiner Amtszeit
bei.
Gegen den Widerstand vieler Bischöfe ließ Benedikt XVI. die alte
lateinische Messe und das Karfreitagsgebet für die Bekehrung der
Juden wieder zu. Sein Versöhnungsangebot an die erzkonservativen
Piusbrüder und die Rücknahme der Exkommunikation lefebvrianischer
Bischöfe als "leiser Gestus der Barmherzigkeit" stießen viele
Gläubige vor den Kopf. Die durch die Vatileaks-Affäre aufgedeckten
Intrigen in der römischen Kurie offenbarten seine Führungsschwächen.
Dass das Kirchenoberhaupt nach bekannt gewordenen sexuellen
Übergriffen lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe
Stellung genommen hat, ist ihm anzulasten. "Zu den Vorgängen
innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts
beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig",
schrieb der studierte Theologe und Standard-Geschäftsführer Wolfgang
Bergmann am Ende jedes Churchwatch-Blogs auf derStandard.at seit
September 2011.
In Fragen der Sexualität zeigte sich Benedikt XVI. vollkommen
verstockt. Bei Fragen zur Empfängnisverhütung sehen sich viele
Gläubige von der katholischen Kirche alleingelassen. Für
wiederverheiratete Geschiedene vermittelte dieser Papst auch keine
Integrationsperspektive. Weltweit setzt sich die katholische Kirche
vehement gegen die gesetzliche Verankerung homosexueller
Partnerschaften ein. Forderungen nach einem Frauenpriestertum und der
Aufgabe des Zölibats für Priester blockte der langjährige Vorsitzende
der Glaubenskongregation ab.
Wer immer neues Kirchenoberhaupt wird: Auf ihm lasten die Hoffnungen
auf eine Öffnung der Kirche, eine Gleichstellung von Mann und Frau
und den Einzug der Realität hinter die Gemäuer des Vatikans.
Für die katholische Kirche bietet dieser selbstgewählte Rücktritt
eine Chance: dass sich Priester wie jene, die sich selbst als
ungehorsam bezeichnen, nicht noch weiter von "ihrer" Kirche
entfernen; dass Christen, die in einer Abwarteposition sind, doch
nicht austreten; dass Skandale ehrlich aufgearbeitet werden und
öffentlich dazu Stellung genommen wird.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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