(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Europa braucht Solidarität / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 01-10-2012

Berlin (ots) - Was haben die deutsche Wiedervereinigung und der
europäische Einigungsprozess gemein? Sie sichern uns Frieden und
Freiheit. Es sind die Grundlagen dafür, dass jeder den Lebensweg
wählen kann, den er zu gehen wünscht. Mit der nationalen Einheit vor
22 Jahren ist der Kalte Krieg zwischen Ost und West glücklich beendet
worden. Das grenzenlose Europa andererseits sichert dem Kontinent ein
friedliches Zusammenleben, von dem früheren Generationen nicht zu
träumen wagten. Für zu viele Deutsche sind diese Errungenschaften zur
Selbstverständlichkeit geworden. Ein Blick über den nationalen und
europäischen Tellerrand zeigt uns etwas anderes.

Bundespräsident Joachim Gauck hat Recht, wenn er, der Unfreiheit
jahrzehntelang erlebt hat, vor dem Tag der Deutschen Einheit darauf
verweist, dass das geeinte Deutschland wie das sich integrierende
Europa mehr ist als das Versprechen ökonomischen Wohlstands.
Rechtstaatlichkeit und Freiheit stehen für ihn weit über der Sorge,
ob die Menschen genug Geld verdienen und ob Prosperität und
finanzielle Sicherheit gewährt sind. Das mag angesichts einer sich
weiter öffnenden Schere zwischen Best- und Schlechtverdienern und der
Spekulationen (im doppelten Wortsinn) um die europäische
Gemeinschaftswährung für viele wenig überzeugend, gar zynisch
klingen. Es bleibt dennoch richtig. Denn was wäre materieller
Wohlstand, wenn es ihn denn unter diesen Bedingungen überhaupt geben
sollte, ohne Freiheit wert? Auch darüber einmal wieder nach zudenken,
lohnt sich an einem Tag wie dem der Deutschen Einheit.

Dass es Freiheit und Einheit weder zum Nulltarif noch über Nacht
gibt, haben wir in den vergangenen 22 Jahren erfahren. Ohne
Solidarität, die noch immer von manchen bezweifelt wird und deren
angebliche Verweigerung die Linkspartei mit ihren SED- Wurzeln weiter
für sich instrumentalisiert, wäre Deutschland nicht schon wieder so
eng zusammengewachsen, wie das - allen Mängeln zum Trotz - gelungen
ist. Solidarität, mental wie finanziell, hat auch das derzeit so
schwer kriselnde Europa wieder verdient. Wie die Ostdeutschen haben
jetzt auch die Menschen im Süden Europas Integrationshilfen verdient,
um in der erweiterten Gemeinschaft bestehen, ja mithalten zu können.
Diesen Preis für die Freiheit und Einheit Europas zu zahlen ist
ebenso sinnvoll und notwendig wie vor Jahren für die Vereinigung
unseres Landes.

Helmut Kohl, der in diesen Tagen ob seiner Wahl zum Bundeskanzler
vor 30 Jahren gewürdigt wird, hat seine politische Bedeutung eben aus
dieser Erkenntnis gewonnen, dass ein vereintes, solidarisches Europa
mehr zu sein hat als eine reine, von ökonomischen Daten bestimmte
Wirtschaftsunion. Das politische Denken, Europa als Friedenswerk
hatte für ihn Vorrang. Denn nur in einem einigen, Misstrauen
überwindenden Europa sah Kohl die Chance auch für eine
Wiedervereinigung unseres Landes. Deutscher und europäischer
Einigungsprozess stehen deshalb in einer Wechselwirkung. Das sollten
wir auch bedenken, wenn derzeit um die Rettung des Euro und die
Einheit Europas gerungen wird.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

420806

weitere Artikel:
  • Mindener Tageblatt: Kommentar zur Nominierung Steinbücks durch den SPD-Vorstand / Marathon mit Risiken Minden (ots) - Die ersten Hürden sind gemeistert. Nachdem die längst zur Schimäre gewordene SPD-Troika am Freitag Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausgerufen hat, konnte er am Wochenende zunächst seine Funktionärstauglichkeit auf dem NRW-Landesparteitag testen, bevor ihn heute der SPD-Vorstand nominierte. Immerhin einstimmig, was gleich für alle Anlass war, sich selbst und die Einheit der Partei zu feiern. Wie weit es tatsächlich damit her ist, kann aus dem Ergebnis allerdings kaum herausgelesen werden: Jedem einzelnen Abstimmungsteilnehmer mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu SPD/Steinbrück Osnabrück (ots) - Erst einmal vertagt Peer Steinbrück hat gestern eine weitere Hürde auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur genommen - einstimmig hat sich der SPD-Vorstand für ihn ausgesprochen. Das bedeutet: Die Parteilinke fremdelt zwar weiter mit Steinbrück und grummelt, stellt jedoch die Vorbehalte hintan. Auch für den linken SPD-Flügel ist der Wille, wieder an die Regierungsmacht zurückzukehren, größer als das Interesse, politische Unterschiede zu pflegen. Denn Opposition ist Mist, wie Franz Müntefering treffend formuliert mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Georgien Osnabrück (ots) - Die Wahl nach der Wahl Es ist die Wahl nach der Wahl: Für Amtsinhaber Saakaschwili und Herausforderer und Milliardär Iwanischwili muss es nach dem Urnengang um die Frage gehen, für welchen Weg sie sich entscheiden wollen: für den demokratischen Prozess einer Regierungsbildung oder den Kampf um den Wahlsieg auf der Straße. Fest steht, dass das zarte Pflänzchen Demokratie in der Kaukasusrepublik gefährdeter denn je scheint. Beide Seiten haben sich gestern zum Sieger erklärt, nachdem sie wochenlang unerbittlich mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Stresstest AKW Osnabrück (ots) - Schnell handeln Es ist ein alarmierendes Ergebnis der Stresstests: Fast alle Atomkraftwerke in der EU weisen Sicherheitsmängel auf. Auch deutsche Anlagen machen da keine Ausnahme. Wer nun schnelles Handeln erwartet, sieht sich bitter enttäuscht. Stattdessen schiebt die EU-Kommission die Veröffentlichung der längst fertiggestellten Mängelliste hinaus - als ginge es nicht um Atomkraftwerke, sondern um die Stilllegung von Agrarflächen oder den Krümmungsgrad von Salatgurken. So schafft sie kein Vertrauen, sondern mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Briefporto Osnabrück (ots) - Die Masse macht's Auf den ersten Blick betrifft die wichtigste Auswirkung der Porto-Erhöhungen bei der Post eher die Briefmarkensammler: Sie können ab 2013 auch Drei-Cent-Standardmarken in ihre Alben stecken. Da immer mehr Leute E-Mails oder SMS verschicken, anstatt Briefe zu schreiben, wird die von 55 auf 58 Cent minimal teurer gewordene Beförderung solcher Schreiben für die überwältigende Mehrheit der Haushalte kaum einen Unterschied machen - im Schnitt unter zehn Cent pro Monat. Dass der Logistikkonzern mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht