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DER STANDARD-Kommentar "Documenta der Kuratorenkunst" von Andrea Schurian

Geschrieben am 08-06-2012

"Kunst als Art Entertainment war einmal - Jetzt gilt: Theorie
statt Artefakt" - Ausgabe 9./10.6.2012)

wien (ots) - Sicher, das pseudowissenschaftliche und reichlich
esoterische Geschwurbel der Documenta-Chefin Carolyn
Christov-Bakargiev über Wahlrecht für Hunde, Emanzipation von
Erdbeeren und Kunstverständnis von Meteoriten ist bestens dazu
angetan, zeitgenössische Kunst mit einem abschätzigen Lächeln und dem
Prädikat "naturtrüb" abzutun.
Der Experimentalphysiker Anton Zeilinger meinte dazu jüngst in einem
Standard-Interview, es sei Christov-Bakargievs "künstlerische
Meinung", die er als Wissenschafter lieber nicht kommentieren wolle.
Das war nicht nur galant, sondern auch eine äußerst zutreffende
Kürzestbeschreibung der seit längerem grassierenden Kunstverfasstheit
namens "Kuratorenkunst": Längst missverstehen sich Kuratoren als die
neuen Künstler, über deren Konzepte ausgiebiger diskutiert werden
muss als über die Kunstwerke.
Lässt man aber ihre herbe Mischkulanz aus Philosophie, Quantenphysik,
Spiritualität, Anthropozentrismuskritik, Naturwissenschaft und sehr
viel verworrenem Blabla außer Acht, scheint Christov-Bakargiev ihre
Documenta 13 tatsächlich sehr trendaffin konzipiert und Kunst zur
Bebilderung ihres kuratorischen Weltbildes zweckentfremdet zu haben.
Nach dem Motto "Kompliziert kann ich selber denken" sehen sich
Kuratoren nicht mehr als Kunstvermittler. Wer in diese Debatte die
Frage nach optischer, gar sinnlicher Qualität von Kunst einbringt,
begibt sich schnurstracks in die argumentative Totschlagzone, weil:
retro. Um nicht zu sagen: reaktionär.
Auch grasende Kühe auf einer Wiener Parkwiese gelten in diesem Sinn
als bahnbrechende künstlerische Intervention. Bisschen Spaß, bisschen
Provokation. Historischer Kontext. Und geht schon. Kunst war einmal.
Das Kunstgebot der Stunde heißt: Theorie statt Artefakt. "Diskursiv"
nimmt folglich die Pole-_position im allgemeinen Kunstvokabular ein.
Kuratoren betrachten es nicht mehr als vordringlichste Aufgabe,
komplexer Kunst zum breitenwirksameren Verstehen zu verhelfen. Das
Publikum soll schauen, wo es bleibt.
Auch dafür legt Christov-Bakargiev Zeugnis ab: Verwirrung, sagte sie,
halte sie für eine sehr gesunde Position, die Zahl der Besucher
hingegen sei ihr nicht so wichtig. Das klingt elitär, ist es auch.
Aber es markiert - auch - eine fast logische Gegenreaktion auf die
1980er- und 1990er-Jahre, als "Fun Galleries" den Kunstmarkt mit
täglich farbfrischer Flachware belieferten, die Museen zu
Kunst-Happylands mutierten und "Besucherrekord" das Lotto-Toto der
Ausstellungsmacher war.
Kunst als Art Entertainment, Künstler als Unterhalter der Reichen,
geschmäcklerisch. Beliebig. Und beliebig austauschbar. Kunst ist, was
gefällt. Nur keine theoretischen Überbauten. Die Wochenzeitung Die
Zeit ätzte damals: "Die Ware Kunst gibt es in ausreichendem Maße und
der Kunstverstand darf bei dem Geschäft nicht überstrapaziert
werden." Nicht erst Christov-Bakargiev trat auf die Spaßbremse. Sie
allerdings besonders fest. Nun sind die Grenzen zwischen Wissenschaft
und Kunst zunehmend fließender geworden. Doch statt in der
Wissenschaft wildernder und dilettierender Künstler bringen sich
Wissenschafter selbst in Ausstellungen ein.
Künstler wiederum, die sich - damals wie heute - außerhalb der
mitunter recht schrillen Diskurse bewegen, bleiben oft ungesehen.
Doch wissend zu schauen: Das wäre der Stellenwert, den Kunst
verdiente. Das wäre Erregung. Geistvoll. Zeitgeistlos.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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