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BERLINER MORGENPOST: Die Macht der Sportler gegen die Diktatoren

Geschrieben am 28-04-2012

Berlin (ots) - Mal angenommen, der Bundespräsident hätte seinen
Besuch in der Ukraine nicht abgesagt; vermutlich wäre in Kiew dann
alles wie immer. Kaum jemand würde sich um die barbarischen Zustände
im Reich des sinistren Präsidenten Viktor Janukowitsch scheren. Es
ist ja nicht so, dass Julia Timoschenko erst seit drei Tagen
eingesperrt ist. Seit Monaten bietet Karl Max Einhäupl an, die
rückenkranke Politikerin in Berlin zu behandeln. Bei allem Respekt
vor dem Bundespräsidenten; aber es war der Charité-Chef, der den Fall
Timoschenko in der Öffentlichkeit hielt, während die Republik über
Empörungsgedichte alter Männer räsonierte, über den
Feminismus-Begriff einer Symbolministerin und mehr Lebensqualität von
Hunden und Katzen. Hoffte der ein oder andere vielleicht, dass das
leidige Ukraine-Thema im EM-Taumel untergehen würde, obgleich das
deutsche Team sein erstes Spiel in Charkow bestreitet, eben dort, wo
Frau Timoschenko im Lager 54 schmort. Zugegeben: In den Jahren 2005
und 2007, als die EM vergeben wurde, sah es vorübergehend anders aus
in Kiew. Die Orangene Revolution schien das Land den demokratischen
Standards der EU näherzubringen. Ein Machtkampf, bei dem es vor allem
um Energie-Milliarden ging, katapultierte das Land zurück ins
Mittelalter. Boykott nach Gauck'schem Vorbild ist ein richtiges
Signal. Politiker sollten sich nicht zu Grinsefotos mit Janukowitsch
aufstellen, zumal eine EM sehr gut ohne Reisegruppen aus Parlamenten
und Ministerien stattfinden kann. Was aber geschähe, wenn zudem noch
die ukrainischen Spiele kurzfristig nach Deutschland verlegt würden?
Kein Mensch würde mehr über Timoschenko reden. Wie beim absurden
Formel-1-Rennen in Bahrain ist es für die Machthaber womöglich
bitterer, wenn die Spektakel stattfinden. Denn als Kollateralnutzen
werden die Inszenierungsabsichten von Diktatoren überdeutlich. Und
der Sport kann durchaus nachhelfen, auf Missstände aufmerksam zu
machen. Schnellfahrer Sebastian Vettel sagte in Bahrain: "Unser Job
ist Sport, sonst nichts." Nach dieser Logik kann man auch im
nordkoreanischen Arbeitslager seine Runden drehen. Unsinn. Jedem
Athleten steht es frei, ein Bekenntnis zu Demokratie und
Menschenrechten abzugeben. Niemand hält den DFB davon ab, seinen
Spielern beim viel gefilmten Training ein T-Shirt mit Artikeln des
Grundgesetzes anzubieten oder einfach nur mit einem Porträt
Timoschenkos. Sportler haben nicht die Pflicht, aber die Chance, ihre
Prominenz für Aufmerksamkeit zu nutzen. Klappt bei Sponsoren ja auch.
Die Olympischen Spiele in Peking waren für die chinesischen
Machthaber eben nicht nur eine Show, sondern auch eine
Herausforderung, mit selbstbewussten Vertretern freier Gesellschaften
umzugehen, die man nicht bei Bedarf einknasten kann. Fußballer und
ihre Funktionäre, die einen Funken mehr Haltung haben als Vettel,
können zumindest Druck ausüben. Sie brauchen nur den Mut, diese Macht
auch zu nutzen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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