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DER STANDARD-Kommentar "Der Wüstenmarsch der Unis" von Lisa Nimmervoll

Geschrieben am 22-04-2012

"Wie die Politik den Hochschulbereich in eine permanente
Notwehrsituation drängt" - Ausgabe 23.4.2012

wien (ots) - Die österreichische Universitätspolitik ist in einem
Stadium angekommen, an dem nur noch Freunde des angewandten Zynismus
ihre Freude haben dürften. Allen anderen muss angst und bang werden,
so wie die Regierung die hohen Schulen mehr oder weniger sich selbst
überlässt. SPÖ und ÖVP haben sich ausgeklinkt aus ihrer politischen
Verantwortung, eingebunkert in ihrem jeweiligen ideologischen Verhau,
und dazwischen werden die Unis - Studierende, Rektorinnen und
Rektoren, Lehrende, Forschende - zerrieben.
Macht nichts. Wir machen nichts. Macht ihr doch was, richtet die
Koalition den Unis bloß noch aus.
Wenn Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ihnen vermeintlich
generös sagt, "Niemand muss, aber jeder kann" Studiengebühren autonom
einheben, dann ignoriert das die aussichtslose Lage, in die die Unis
jahrelang manövriert wurden - "Dreiviertelhochschulmilliarde" hin
oder her. Es reicht nicht. Der Grundwasserspiegel der Unis ist schon
lange viel zu tief unten, dass das genügen würde.
Angesichts der Finanzsituation der Unis mutet die
"Jeder-kann-Empfehlung" ungefähr so an, als würde einem in der Wüste
Herumtaumelnden gesagt: Du musst nicht, aber du kannst dir jederzeit
einen Brunnen graben, der dir rettendes Wasser liefert.
Die reale Lage der meisten Unis ist anders zu beschreiben. Auf dem
Wüstenmarsch, den sie seit mehr als einem Jahrzehnt finanziell
dürstend absolvieren müssen, muss die Gebührencausa so verhandelt
werden: "Fast alle müssen, aber dürfen sie auch?" Dabei kann es nicht
Aufgabe der Universitäten sein, einen sehr freihändigen Umgang mit
(Nicht-)Gesetzen zu praktizieren, nur weil die Politik ihre Arbeit
nicht erledigt. Zumal die Grenze zwischen "können" und "dürfen" keine
beliebig fließende ist.
Fakt ist, zwei Drittel der 21 Rektoren der öffentlichen Universitäten
sehen sich nachgerade gezwungen, im Herbst selbst Studiengebühren
einzuheben, weil sie sonst quasi verdursten würden - das heißt: in
die roten Zahlen rutschen. Ein paar sind es jetzt schon. Und das,
obwohl der Gebührenanteil am Gesamt-Uni-Budget "nur" sechs Prozent
(bei Unis mit vielen Nicht-EU-Bürgern und Langzeitstudierenden bis zu
zehn Prozent) ausmacht. Wer für so einen in Relation geringen Betrag
riskiert, vor Gericht zu scheitern, muss schon sehr nahe am Abgrund
stehen. Und das soll "Autonomie" sein?
Gehtx{2588}s noch? Nicht mehr lange.
Es ist auch eine politische Kindesweglegung, die im Politikbetrieb
ihresgleichen sucht. Kein anderes Politikfeld wird durch
Nichtentscheidungen, die das gesamte System in Gefahr bringen, so in
eine permanente Notwehrsituation gedrängt, wie die Unis:
"Notfallparagrafen" für überrannte Fächer sollen den chaotischen
Survival-of-the-Fittest-Zugang unter Kontrolle halten, Aufrufe zum
Gebührenhasard saubere Lösungen ersparen.
Damit kommen die Unis doppelt unter Druck: Die Regierung treibt einen
Keil zwischen Rektoren und Studierende. Sie degradiert sie aber auch
zu einer Not(wehr)gemeinschaft, die die Idee der Universität
zerstört. Denn wer so um existenzielle Dinge - sei es eine
angemessene Finanzierung oder ein geregelter Uni-Zugang, im Übrigen
alles weit wichtiger als Studiengebühren - kämpfen muss wie um einen
Schluck Wasser, wird nie erleben können, wozu wir Universitäten
überhaupt brauchen: als vitale Orte, an denen eine Gesellschaft über
sich und ihre Zukunft nachdenken kann.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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