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"DER STANDARD"-Kommentar: "Montis Chance und Draghis Stunde" von Eric Frey

Geschrieben am 13-11-2011

Nur mithilfe der EU-Zentralbank kann Italiens neuer Premier die
Krise beilegen (Ausgabe ET 14.11.2011)

Wien (ots) - Der Rücktritt Silvio Berlusconis nach dem Beschluss
des Sparpakets war die seit langem erste gute Nachricht für die
krisengeschüttelte Eurozone. Zwar kann auch der designierte Premier
Mario Monti nicht viel tun, um die Grundübel der italienischen
Wirtschaft - hohe Schulden, wenig Wachstum - rasch zu beseitigen.
Aber Berlusconis skandalöse und inkompetente Führung hat jenen
Vertrauensverlust in den Finanzmärkten verursacht, der die Zinsen von
italienischen Staatsanleihen zuletzt auf über sieben Prozent
getrieben und das Land dadurch an den Rand des Staatsbankrott geführt
hat.

Vor allem aber bietet die Kombination aus verschärftem Sparbudget
und neuer Regierung der Europäischen Zentralbank die Möglichkeit,
jenen Schritt zu wagen, der das jüngste und gefährlichste Kapitel der
Eurokrise mit einem Schlag beenden würde: Die EZB müsste verkünden,
dass sie bereit ist, unbegrenzt und unbefristet italienische
Staatspapiere aufzukaufen.

Seit Wochen fordern Experten eine solche Zusicherung, und das mit
gutem Grund. Italien ist nämlich - anders als Griechenland - nicht
insolvent und kann seine Schulden problemlos bedienen. Seine Probleme
entstehen erst, wenn die Märkte daran zweifeln und aus
Italien-Anleihen flüchten. Dann steigen die Zinsen, das belastet die
Staatsfinanzen, dann steigen die Zinsen noch weiter - bis Italien
tatsächlich pleite ist.

Eine solche Dynamik, die auch einzelne Banken oder Kreditsysteme
treffen kann, lässt sich nur durch einen "lender of last resort"
stoppen, der durch ausreichende Liquidität die Gläubiger beruhigt. In
anderen Ländern macht das die nationale Notenbank. Doch in den
Eurostaaten ist diese machtlos, sie sind in Zeiten der Not daher auf
die EZB angewiesen.

Die Bedenken aus Deutschland, dass damit fiskale
Verantwortungslosigkeit gefördert und die Preisstabilität gefährdet
wird, sind unberechtigt. Die EZB_kauft bereits in großem Umfang - und
entgegen ihrer Satzung - Staatsanleihen der Schuldnerstaaten. Doch
solange Anleger zweifeln, ob diese Praxis auch Bestand hat, bleiben
die Zinsen zu hoch. Ein offizielles Bekenntnis zu einer
Schuldenfinanzierung würde es der Notenbank hingegen erlauben, den
Aufkauf der Papiere bald wieder einzustellen. Denn dann wären
italienische Staatsanleihen auch mit vier Prozent Rendite für
Investoren wieder attraktiv.

Dass mit Mario Draghi ein Italiener an der EZB-Spitze steht, macht
ein solches Manöver politisch besonders heikel - die bösen
Bild-Schlagzeilen wären ihm gewiss. Aber gleichzeitig hätte eine
Ansage aus Draghis Mund selbst bei deutschem Widerstand viel
Glaubwürdigkeit. Man nimmt ihm ab, dass er sein Land nicht grundlos
vor die Hunde gehen lassen würde. Und Draghi hat schon mit der
Zinssenkung bewiesen, dass er sich gegen teutonische Orthodoxie zu
wehren weiß.

Auch in Berlin muss man wissen, dass die Eurozone zerfallen wird,
wenn Italien nicht rasch aus der Gefahrenzone herauskommt. Und das
würde den deutschen Steuerzahler viel mehr kosten als eine
entschlossene Italien-Rettung durch die EZB.

Für Griechenland gibt es keinen so leichten Ausweg. Aber auch dort
kann Draghi der neuen Regierung helfen - indem er anders als sein
Vorgänger einen echten Schuldenschnitt nicht blockiert und Athen
letztlich den Ausstieg aus dem Euro ermöglicht. Denn ohne drastische
Abwertung bleibt das Land wirtschaftlich ohne Chance.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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