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BERLINER MORGENPOST: Jetzt muss Italien sich selbst helfen - Leitartikel

Geschrieben am 13-11-2011

Berlin (ots) - Zufrieden mit sich selbst schaute ein ganzes Land
jahrelang in den Rückspiegel. Italien sah hinter sich eine
Kulturlandschaft, auf die die Welt neidisch ist, eine starke
Industrie, bejubelte Designer, sah Stil und Lebensart und überhaupt
das schönste Land der ganzen Erde. Dass auf der rasanten Fahrt der
Abgrund nahte, sahen zu wenige. Höchste Zeit, den Blick nach vorn zu
richten. Auch wenn die Zukunft weit weniger schön ist als der
verklärte Blick zurück. Italien hat im kommenden Jahr einen
gigantischen Refinanzierungsbedarf. Es muss Vertrauen zurückgewinnen,
sonst wird keine Bank, keine Versicherung, kein Investor italienische
Staatsanleihen kaufen. Die Folge: Der Zahlungsausfall würde nahen,
weil die Finanzmärkte nicht mehr an Italien glauben. Trotz der
Gefahren: Die Italiener haben den Finanzmärkten etwas zu verdanken.
Sie waren es, die ihr Land von Silvio Berlusconi befreiten. Was die
zerstrittene Opposition und der Druck der Hunderttausende auf der
Straße in all den Jahren nicht schafften, ist den Märkten in nur
wenigen Wochen gelungen. Jetzt aber ist Italien selbst an der Reihe
zu handeln. Auf Wohlwollen kann das Land mit seiner neuen Regierung
hoffen. Auf Hilfe sollte es nicht allzu sehr bauen. Was getan werden
muss, ist allen klar, und es muss in Italien getan werden: Der starre
Arbeitsmarkt muss aufgebrochen werden, damit die Jungen eine Chance
haben. Das Rentensystem gehört wirklich reformiert, der ineffiziente
Verwaltungsapparat in seiner Macht und Größe beschnitten, ein Teil
des enormen Staatseigentums verkauft. Das Reformpaket, das das
Parlament am Wochenende beschlossen hat, ist nicht mehr als der erste
Schritt. Und am besten fängt die neue Regierung bei sich selbst an.
Schon einmal hat sich Italien vor dem Staatsbankrott gerettet. Das
mag die neue Regierung ermutigen, dass es wieder gelingen kann. Sie
darf nur nicht dieselben Fehler machen wie damals in den 90er-Jahren:
Sie muss die Ausgaben des Staates kürzen und nicht lediglich seine
Einnahmen erhöhen. Dieses falsche Rezept hatte zwei Folgen: Zum einen
wurde 1994 Berlusconi zum ersten Mal gewählt, die damals neue Kraft,
die modern erschien und das Paradies auf italienischem Boden
versprach. Zum Zweiten ließ es der Wirtschaft keinen Raum zum
Wachsen. Die Ergebnisse sind bekannt, und sie sind verheerend. Die
Zeiten sind nicht erfreulich, die EU-Kommission sagt eine Rezession
für das kommende Jahr voraus. Wenn Italien es geschickt anstellt,
kann ein Reformprogramm Wachstum aber sogar antreiben. Davon hängt
ab, ob Italien sich retten kann - und eine Alternative gibt es nicht.
Das Personal für ein ambitioniertes Reformprogramm hat das Land. Eine
Regierung aus Experten unter Mario Monti, der nicht aus der Mitte des
politischen Systems kommt, hat die besten Chancen, Italien
tatsächlich endlich zu modernisieren. Die Parteien haben in dieser
Zeit des Übergangs Gelegenheit, Berlusconi zu vergessen, gegen oder
für den sie so hartnäckig waren, dass sie darüber vergaßen, dass
Politik Inhalte braucht - und Italien selbst vergaßen. Das hat das
schöne Land nicht verdient.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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