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Westdeutsche Zeitung: Eine Falschmeldung und ihre dramatischen Folgen - Blöder Fehler oder wohlkalkulierter Test? Ein Kommentar von Martin Vogler

Geschrieben am 11-11-2011

Düsseldorf (ots) - Immerhin bezeichnete EU-Kommissar Michel
Barnier die Rating-Panne, die Frankreich und die Finanzwelt
erschütterte, als "schwerwiegenden Vorfall". Dann folgte allerdings
in blutleerer Bürokratensprache: "Es ist nun Sache der europäischen
Wertpapieraufsicht ESMA, gemeinsam mit den nationalen
Aufsichtsbehörden AMF, die Fakten zu prüfen und Schlussfolgerungen zu
ziehen." Das ist banal und verstrahlt beängstigende Hilflosigkeit.
Wahrscheinlich würde sich jeder Bürgermeister einer Kleinstadt für
solch eine Formulierung schämen.

Die gestelzte Wortwahl entlarvt, dass die Politik gegenüber der
Macht der Rating-Agenturen schlicht hilflos ist. Da kann die EU auch
ankündigen, sie an die Kette legen zu wollen und sie bei fahrlässiger
oder vorsätzlich falsche Bewertung in die Haftung zu nehmen. Das wird
nichts helfen, so lange die Finanzmärkte dermaßen aufgeregt sind wie
in der derzeitigen Euro-Krise. Die Märkte werden weiterhin
hypernervös auf jedes Signal reagieren - und die Agenturen die
Forderung nach finanzieller Haftung kalt lächelnd von ihren Juristen
abschmettern lassen. Der Politik bleibt nur der Weg, die Ursachen der
Nervosität zu beseitigen. Sie muss alle Kraft daran setzen, die Krise
zu beenden. Erst dann kehren Vertrauen und Ruhe zurück - und die
Weltwirtschaft fällt nicht gleich in Panik, wenn sich irgendwo ein
Computerprogramm verschluckt oder ein Analyst sich einen Aussetzer
leistet.

Gerade angesichts der blinden Hörigkeit der Anleger gegenüber den
Rating-Agenturen ist die Frage wichtig, wie es bei der Agentur S&P zu
der dämlichen Falschmeldung kommen konnte. Die Annahme, es habe sich
um einen banalen Alltagsfehler gehandelt, mag man so recht nicht
glauben. So etwas darf das Sicherheitssystem solch einer Agentur
eigentlich nicht zulasse. Denn das Ereignis ist für das Image von S&P
und für die gesamte Branche ein Desaster.

Gestern zu vernehmende Spekulationen, die Falschmeldung sei
bewusst gestreut worden, um zu testen, wie die Finanzmärkte auf die
Zurückstufung der zweitwichtigsten Volkswirtschaft im Euro-Land
reagiert, klingt nach wilder Verschwörungstheorie. Ob sie wirklich
absurd ist, werden die nächsten Tage zeigen. Weitere negative
Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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