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BERLINER MORGENPOST: Ja, die Griechen müssen sich endlich entscheiden - Leitartikel

Geschrieben am 01-11-2011

Berlin (ots) - In der Politik ist es wie im richtigen Leben: Am
Seitenrand zu stehen und zu schimpfen ist stets bequemer, als selbst
auf das Spielfeld zu gehen. Nun haben die Griechen recht lange am
Seitenrand gestanden und die Schuld für ihre Krise den anderen
zugeschoben: den Deutschen, Brüssel, den Politikern, den Bankern, den
Reichen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat mit dem
angestrebten Referendum über das Sanierungspaket die anderen
EU-Regierungschefs verärgert, waren sie doch nicht informiert, dass
sie nächtelang nur unter Vorbehalt debattierten. Das ist kein guter
Stil und wird dem Ansehen Papandreous in der EU über den Tag hinaus
schaden. Doch im Prinzip wählt er den richtigen Weg. Denn die
kommenden Wochen kann das Land für eine Debatte nutzen und die
Gesellschaft dann eine Entscheidung treffen, deren einschneidende
Konsequenzen nur und ausschließlich sie zu verantworten haben. Sie
kann sich für den Schuldenschnitt, Lohnkürzungen und
Wohlstandsverluste aussprechen, in denen das Land quasi unter Kuratel
der EU stehen wird. Das klingt nicht sonderlich verlockend, aber es
wäre ein halbwegs verlässlicher Pfad. Die Griechen können sich auch
gegen das Rettungspaket entscheiden, das wäre die anarchistische
Lösung mit einem Stinkefinger Richtung EU und würde wohl zu einem
Ausscheiden der Griechen aus der Euro-Zone führen. Was in dem Fall
dem Land widerfahren würde, weiß niemand. Es gibt einige
Prognosepapiere der Volkswirte, aber der Austritt aus einer
Währungsunion plus Insolvenz plus Einführung einer neuen Währung ist
nicht einfach so zu modellieren (deshalb sollte man diesen
Voraussagen auch nicht vertrauen). Von außen betrachtet, erscheint
eine Entscheidung gegen das Rettungspaket wahnsinnig. Aber Demokratie
ist nicht der Garant dafür, dass stets die besten Entscheidungen
fallen, sondern dass sie vom Volk legitimiert werden. Und diese
breite Zustimmung für den einen oder anderen Weg braucht es, sie ist
im Grunde, wie Angela Merkel sagen würde, alternativlos. Es würde
nämlich auch nichts nutzen, dass es zum Schuldenschnitt kommt und die
Griechen weiter fröhlich vor sich hinstreiken. Ohne jetzt pathetisch
zu werden, aber ohne einen Mentalitätswechsel wird das nichts mehr.
Solange sich die Griechen als Opfer empfinden, solange sie sich mit
begrenzt komischen Vergleichen über ein Nazi-Deutschland ereifern,
solange sie nicht einsehen, dass sie selbst zuvorderst die Krise zu
verantworten haben, so lange werden sie ein Pleitestaat bleiben. In
einem Land, in dem Rentenbetrug, Steuerhinterziehung und Korruption
zum Alltag gehören, muss erst die Einsicht einkehren, dass genau
diese fortwährende eigene Bereicherung am Gemeinwesen zu dieser Krise
geführt hat. Um aus der Schatzkiste des Neuen Testaments zu greifen:
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Souvláki. Eine
demokratisch legitimierte Entscheidung über das Rettungspaket wird
auch für die EU ein unschätzbarer Gewinn sein. Denn die Griechen
hätten sich entweder auf den Sanierungskurs verpflichtet. Oder die
Euro-Länder und die Griechen könnten sich konsensual scheiden lassen
und ohne schlechtes Gewissen und viel Tamtam künftig getrennte Wege
gehen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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