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Westdeutsche Zeitung: Staatliche Computer-Spionage und die Verfassung = Von Horst Kuhnes

Geschrieben am 10-10-2011

Düsseldorf (ots) - Einmal angenommen, bei den vom Chaos Computer
Club (CCC) untersuchten Spionage-Programmen für private Computer
handelt es sich tatsächlich um staatlich entwickelte Software, also
um sogenannte "Bundestrojaner". Und weiter angenommen, die
Einsatzmöglichkeiten sind tatsächlich so weitreichend wie vom CCC
beschrieben: Verstößt die Existenz des Programms damit gegen unsere
Verfassung?

Die Antwort kann nur lauten: Nein! Denn grundsätzlich muss man
unterscheiden zwischen den technischen Möglichkeiten und der
konkreten Anwendung. Denn erst Art und Umfang der Benutzung einer
Sache oder eines Gegenstandes schafft potenziell einen
Straftatbestand, nicht aber die Sache oder der Gegenstand selbst.

Das derzeit häufig erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 27. Februar 2008 zum Thema Online-Durchsuchung hat in der Tat
weitreichende Vorgaben zum Schutz privater Daten auf privaten
Computern vor staatlicher Schnüffelei gemacht. Allerdings haben die
Richter auch festgestellt: "Das Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist
nicht schrankenlos. Eingriffe können sowohl zu präventiven (Anm.: =
vorbeugenden) Zwecken als auch zur Strafverfolgung gerechtfertigt
sein."

Gleichzeitig stellt das Gericht Online-Durchsuchungen unter
Richtervorbehalt. Letztlich wie beim Durchsuchungsbefehl für eine
Privatwohnung, muss ein Richter jeden Einzelfall genehmigen, wenn
Spionage-Software auf einem privaten Computer eingesetzt werden soll.
Dabei muss er über den Umfang und die Verwertung der erfassten Daten
wachen - und auch den Schutz jener privater Daten sicherstellen, die
nichts mit dem konkreten Tatverdacht zu tun haben.

Und genau hier beginnt das eigentliche Problem mit dem
"Bundestrojaner": Das Programm muss im Prinzip alles sammeln, dessen
es habhaft werden kann. Denn es kann nicht unterscheiden, was im
konkreten Fall relevant ist und was nicht. Darüber entscheiden
Menschen bei der späteren Auswertung. Und das sich daraus wiederum
ergebende Problem kannten schon die alten Römer. So fragte der
Satiriker Juvenal: "Wer aber soll die Wächter selbst bewachen?"



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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