Mittelbayerische Zeitung: Politik mit Paragrafen // Zum Jubiläum des Bundesverfassungsgerichts: Die Richter prägen mit ihren Urteilen das Land - mehr Zurückhaltung wäre angesagt.
Geschrieben am 27-09-2011 |   
 
 Regensburg (ots) - Die Politik in diesem Land wird von nur 16  
Frauen und Männern entscheidend geprägt - und die meisten von uns  
kennen nicht einmal die Namen dieser roten Robenträger. 16 Frauen und 
Männer urteilten darüber, ob die Ostverträge gelten sollten, ob ein  
Kruzifix ins Klassenzimmer gehört, ob ein Kopftuch zulässig ist, ob  
Soldaten als Mörder bezeichnet werden dürfen, ob der Lissabon-Vertrag 
über die EU verfassungskonform ist, ob die NPD verboten werden darf  
oder nicht - die Liste der Entscheidungen ließe sich beliebig  
verlängern. Diese 16 Frauen und Männer genießen ein Ansehen wie kein  
zweites Verfassungsorgan. Warum dies so ist, darüber darf gerätselt  
werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe feiert heute seinen 
60. Geburtstag und man darf sicher sein: In den Festreden wird diese  
Institution einhellig gelobt werden. Dabei kann man zum Beispiel über 
die Legitimation der Richterinnen und Richter durchaus nachdenken.  
Die jeweils amtierenden 16 Frauen und Männer werden in einem  
politischen Kuhhandel ausgewählt. Da im Bundesrat und in einem  
speziellen Ausschuss des Bundestages die Kandidaten für die Posten in 
Karlsruhe eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen, werden sie nach dem  
schönen Motto bestimmt: Stimmst du für meinen Unionskandidaten, dann  
stimme ich für deinen SPD-Kandidaten. Und da man ja kleinere  
Koalitionspartner braucht, fallen auch für die Anhänger von FDP und  
Grünen immer mal wieder Ämter ab. Mit der viel beschworenen  
richterlichen Unabhängigkeit ist es bei Amtsantritt also nicht so  
weit her - doch trösten wir uns: Beim Bundesverfassungsgericht  
handelt es sich eben nicht um ein "normales" oder "höchstes" Gericht. 
Nein, es handelt sich um ein politisches Gericht, denn die Themen,  
die es zu behandeln hat - siehe oben - sind nun einmal politisch und  
da wäre es ein Wunder und auch gar nicht einer Demokratie  
systemimmanent, wenn diese wichtigen Ämter nicht letztlich doch auch  
durch und sogar mit Politikern besetzt werden. So strebt zum Beispiel 
Peter Müller, der Ex-Ministerpräsident des Saarlandes, nach dem  
Ausscheiden aus der aktiven Politik einen Wechsel nach Karlsruhe an - 
und wenn die Zeichen nicht trügen, könnte er dieses Ziel auch  
erreichen. Die höchstrichterlichen Urteile aus Karlsruhe sollte man  
daher bei allem Respekt vor diesem Verfassungsorgan auch nicht  
überhöhen. Auch sie sind Menschenwerk, sie künden von persönlichen  
Meinungen und den Stimmungen des Zeitgeists und sie dürfen, ja sie  
sollten auch wieder öfter kritisiert und strittig bewertet werden -  
denn das ist ja das eigentliche Merkmal einer Demokratie. Dabei soll  
nicht verkannt werden, dass das Bundesverfassungsgericht in den  
vergangenen Jahrzehnten durchaus segensreich gewirkt hat. Viele  
Richter machten sich in ihrer Amtszeit von ihren politischen Protegés 
unabhängig, ja sie zeigten oft einen durchaus unerwarteten, freien  
Gestaltungswillen. So hat das Verfassungsgericht in den vergangenen  
Jahren sich gerade in der Familienpolitik als fortschrittlicher  
Taktgeber präsentiert und gelegentlich dem Gesetzgeber sogar relativ  
präzise vorgeschrieben, wie er gefälligst zu agieren hat. Doch genau  
hier sollten die Richter Selbstbescheidung üben: Es gibt den  
wichtigen Grundsatz der judicial self-restraint, der richterlichen  
Selbstbeschränkung. Die Rechtsprechung darf keine Gestaltungsfragen  
beantworten, die in den originären Bereich der legislativen und  
exekutiven Staatsgewalt fallen. Letztlich muss schon die Politik bei  
Achtung der Verfassung die Richtlinien vorgeben. Und wir Wähler haben 
dann die Chance, diese Politiker weiter zu unterstützen oder  
abzuwählen. Wenn die Richter sich hier zu sehr einmischen, schränken  
sie letztlich auch die Rechte der Bürger ein - und diese sind  
schließlich der oberste Souverän und nicht die 16 Frauen und Männer  
in Karlsruhe. 
 
 
 
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