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Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Gül: Wulff und Merkel müssen Repression gegen Journalisten zum Thema machen

Geschrieben am 16-09-2011

Berlin (ots) - Aus Anlass des bevorstehenden Besuchs des
türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül in Deutschland lenkt
Reporter ohne Grenzen (ROG) die Aufmerksamkeit auf die Unterdrückung
der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei. Während seiner Reise
vom 18. bis 21. September 2011 wird Gül mit Bundespräsident Christian
Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen. Der Besuch
fällt mit dem 200. Tag der Inhaftierung der beiden bekannten
türkischen Enthüllungsjournalisten Ahmet Sik und Nedem Sener am 19.
September zusammen.

"Massenhafte Strafverfahren gegen Journalisten sind Zeichen für
ein zunehmend pressefeindliches Klima bei Behörden und Justiz", sagt
ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. 63 Journalisten sind derzeit
nach Informationen von ROG im Gefängnis. Viele von ihnen müssen
monate- oder sogar jahrelang in Untersuchungshaft ohne Anklage
ausharren. Schuld an diesem Skandal sind vor allem die fehlenden
gesetzlichen Garantien für Presse- und Meinungsfreiheit sowie
willkürliche Anklagen und Gerichtsentscheide zuungunsten von
Medienvertretern.

"Wir appellieren an Bundespräsident Wulff und Bundeskanzlerin
Merkel, bei ihrem Treffen mit Staatspräsident Gül die Repression
gegen die Medien anzusprechen und sich für die Freilassung von Sik
und Sener sowie ihrer Kollegen einzusetzen, die offensichtlich wegen
ihrer Recherchen und Publikationen inhaftiert wurden", sagt Rediske.
Die hohe Zahl der Strafverfahren gegen Pressevertreter schürten ein
Klima der Einschüchterung und Selbstzensur.

Schätzungen zufolge wird derzeit gegen mehrere hundert oder gar
tausend Journalisten in der Türkei ermittelt. Zahlen zu Ermittlungs-
und Strafverfahren sowie zu Verhaftungen von Reportern gibt die
türkische Justiz nicht bekannt. Viele Fälle werden als "geheim"
eingestuft, so dass selbst Anwälte von betroffenen Pressevertretern
keine Einsicht in die Anklageschriften haben. Im Fall von Sik und
Sener zögerten die Justizbehörden den Prozessbeginn mehrfach heraus.
Beide sind seit dem 3. März 2011 im Gefängnis. Erst am 9. September
hat die 16. Kammer des Istanbuler Schwurgerichts die Anklageschrift
angenommen. Die erste Anhörung im Prozess soll am 22. November
stattfinden.

Sik, Mitarbeiter der Zeitung "Radikal" und Sener, Journalist bei
dem Blatt "Miliyet", wird vorgeworfen, das ultranationalistische
Netzwerk Ergenekon zu unterstützen und an Putschplänen gegen die
Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beteiligt
gewesen zu sein. ROG setzt sich gemeinsam mit anderen
Nichtregierungsorganisationen und vielen türkischen Journalisten für
die Freilassung der beiden Journalisten ein. "Die Vorwürfe sind
absurd, die monatelange Untersuchungshaft ist nicht zu
rechtfertigen", sagt Rediske.

Sik hatte mit seinen Veröffentlichungen auf eine mögliche
Ergenekon-Verschwörung erst hingewiesen. Bei seiner Verhaftung stand
er vor der Veröffentlichung eines Buches über die mutmaßliche
Unterwanderung der türkischen Polizei durch die islamistische
Gülen-Bewegung. Sener beschäftigte sich unter anderem intensiv mit
dem Attentat gegen den armenischen Journalisten und Menschenrechtler
Hrant Dink.

Wie Sik und Sener werden viele Journalisten wegen angeblicher
Verbindungen zu Terrororganisationen oder wegen Propaganda für eine
terroristische Organisation verfolgt. ROG fordert seit langem eine
Revision des Anti-Terrorismusgesetzes, das unter anderem der
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widerspricht. Eine Reihe
weiterer weit gefasster Gesetze tragen zu einer willkürlichen und
medienfeindlichen Rechtsprechung bei.

ROG hat im Juni 2011 einen umfassenden Bericht über das Verhältnis
von Medien und der Justiz veröffentlicht. Lesen Sie hier den
20-seitigen Bericht "Media and Justice in Turkey, Mistrust and
Repression". http://bit.ly/ktgUnv



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Anja Viohl
Pressearbeit
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 202 15 10 - 16
F: +49 (0)30 202 15 10 - 29


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